Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung und Darlegungslast des Anfechtungsgrundes. Beweislast für Scheinarbeitsvertrag mit Ehefrau

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Insolvenzverwalter muss im Rahmen einer Insolvenzanfechtung neben dem Anfechtungsgrund der Unentgeltlichkeit auch den Anfechtungsumfang darlegen, also welche Leistungen nach § 129 InsO, § 143 Abs 1 InsO zurückgefordert werden.

2. Im Einzelfall entsteht keine sekundäre Darlegungslast zu Umfang und Inhalt der Rückforderung, da ein durchsetzbarer Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner bzw. gegenüber seiner bei ihm angestellten Ehefrau besteht.

 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2, § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 133 Abs. 2, § 138 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 242, 611 Abs. 1, §§ 614, 1362

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 07.09.2011; Aktenzeichen 4 Ca 144/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.09.2014; Aktenzeichen 6 AZR 145/13)

 

Tenor

Auf die Berufung und Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers und der Anschlussberufung der Beklagten im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 07. September 2011 - 4 Ca 144/11 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des A wegen insolvenzrechtlicher Anfechtung keine Ansprüche, bezogen auf den Zeitraum vom 03. Februar 2005 bis 31. Dezember 2007, zustehen. Im Übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten gilt:

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 70% zu tragen, die Beklagte hat 30% zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der klagende Insolvenzverwalter ficht Leistungen des Schuldners an die Beklagte an. Widerklagend begehrt die Beklagte die Feststellung, dass dem Kläger keine Ansprüche durch Anfechtung von Leistungen zustehen, welche sie auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Schuldner seit Juni 2003 erhielt.

Die Kammer hat am 22. August 2012 durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage - soweit Gegenstand der Berufung -, die Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufung und die Anschlussberufungen der Beklagten entschieden. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Zwischenurteils wird, insb. wegen der beide Instanzen betreffenden Zulässigkeitsfragen, Bezug genommen (Bl. 696 - 705 d.A.).

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, Inhaber der Firma B - A. Das Insolvenzverfahren wurde am 06. April 2009 durch das Amtsgericht Offenbach am Main eröffnet (Geschäftsnummer ..., vgl. Kopie Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 5 d.A.). Die Geschäftsräume der Agentur befanden sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in der C XX in XXXXX D. Bis Ende 2005/Anfang 2006 war der Schuldner mit seinem Unternehmen in der E in D ansässig.

Der Schuldner hatte mit Schreiben vom 30. Januar 2009, eingegangen bei dem Amtsgericht Offenbach am 02. Februar 2009, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.

Die Beklagte ist die Ehefrau des Schuldners. Zwischen den Ehegatten ist seit 1973 Gütertrennung vereinbart. Ob die Eheleute - wie die Beklagte behauptet - seit 01. März 2007 dauernd getrennt leben, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe keine Arbeitsleistungen für den Schuldner erbracht, sie sei nur zum Schein Arbeitnehmerin gewesen. Die Beklagte behauptet, sie habe für den Schuldner in den weiteren Büroräumen der Agentur in ihrem Wohnhaus in der F XX in XXXXX D vollzeitig auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 31. Mai 2003 gearbeitet.

Die Beklagte war bereits von 1982 bis 2000 bei ihrem Ehemann, dem späteren Schuldner, als Arbeitnehmerin beschäftigt. Mit Datum vom 30. Mai 2003 schlossen die Beklagte und der spätere Schuldner erneut einen Arbeitsvertrag, nach welchem die Beklagte ab 01. Juni 2003 als Senior-Consultant gegen eine Vergütung von € 6.500,00 brutto eingestellt wurde. Zur Wiedergabe des Inhalts dieses Arbeitsvertrags wird auf die Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 09. September 2010 verwiesen (Bl. 46 - 48 d.A.). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. April 2009 beendet.

In der Zeit von Januar 2006 bis November 2008 zahlte der Schuldner der Beklagten eine Bruttovergütung von € 5.300,00 bis € 5.500,00 monatlich. Im Dezember 2008 bezog die Beklagte Kurzarbeitergeld. Ob und welche Leistungen die Beklagte von Januar bis April 2009 von dem Schuldner erhielt, konnte im Berufungsrechtszug nicht geklärt werden.

Die Beklagte absolvierte in der Zeit von 01. Oktober 2003 bis März 2009 erfolgreich ein Bachelorstudium Bioinformatik an der Goethe-Universität Frankfurt.

Der Schuldner begründete neben dem - von den Parteien unterschiedlich bewerteten Arbeitsverhältnis zu seiner Ehefrau - weitere Arbeitsverhältnisse: Von 01. Januar 2007 bis 30. Juni 2008 zu der Arbeitnehmerin G, mit 30 Wochenstunden. Von 01. Februar 2008 bi...

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