Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der gerichtlichen Schätzung einer Bonuszahlung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Schätzung einer Bonuszahlung durch ein Arbeitsgericht nach § 287 ZPO ist unzulässig, wenn der Arbeitnehmer die für eine Schätzung durch das Gericht erforderlichen Anhaltspunkte nicht vorgetragen hat, das Gericht keine Informationen über die maßgeblichen Bonuskriterien und deren Gewichtung zueinander hat, Angaben zu den für eine Schätzung heranzuziehenden Geschäftsdaten fehlen und dem Gericht der zur Verfügung gestellte Bonusrahmen für den Arbeitnehmer nicht bekannt ist.

 

Normenkette

ZPO § 287 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.08.2013; Aktenzeichen 14 Ca 4283/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.08.2016; Aktenzeichen 10 AZR 710/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2013 14 Ca 4283/12 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um eine Bonuszahlung für das Jahr 2011.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2013 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 357-360 d.A.).

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch vorgenanntes Urteil die Beklagte verurteilt, an den Kläger 78.720 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2013 zu zahlen. Es hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Bonuszahlung für das Jahr 2011 in Höhe von 37,5 % des Vorjahresbonus von 209.920 EUR brutto. Die Entscheidung der Beklagten, für das Jahr 2011 keinen Bonus zu zahlen, habe nicht billigem Ermessen entsprochen. Deshalb habe das Arbeitsgericht nach billigem Ermessen entscheiden müssen, ob und in welcher Höhe dem Kläger ein Bonus für das Jahr 2011 zustehe. Es entspreche billigem Ermessen, den Bonus abhängig vom Geschäftsergebnis im Jahr 2011 und abhängig von der persönlichen Leistung des Klägers festzusetzen. Dabei sei davon auszugehen, dass die Leistungen des Klägers der durchschnittlichen Arbeitsleistung der anderen Mitarbeiter entsprochen habe. Nachdem diese zwischen einem Viertel und der Hälfte des Vorjahresbonus erhalten hätten, sei auch dem Kläger ein Bonus in Höhe des Mittelwerts, also in Höhe von 37,5 % seines Vorjahresbonus zuzubilligen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 361-364 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 10. April 2014 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt (Bl. 452 d.A.).

Sie verfolgt ihr Begehren auf Klageabweisung unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie vertritt die Ansicht, das Arbeitsgericht Frankfurt am Main habe keine eigene Bonusentscheidung im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB treffen dürfen, da der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine hinreichende Grundlage für eine Schätzung bilde. Der Kläger habe die ihm nach § 287 Abs. 2 ZPO zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unterlassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2013 - 14 Ca 4283/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er meint, das Arbeitsgericht habe unter Beachtung der Vorgaben von § 287 Abs. 2 ZPO eine eigene Ermessensentscheidung nach § 315 Abs. 3 BGB getroffen und die Höhe des zu zahlenden Bonus zutreffend bestimmt. Er behauptet, die Beklagte habe allen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnisse nicht im Laufe des Jahres 2011 gekündigt wurden, einen Bonus in Höhe von mindestens einem Viertel oder der Hälfte des Vorjahres gezahlt.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 10. April 2014 (Bl. 452-453 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. August 2013 verkündete Schlussurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstands statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Die Beklagte hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Beklagte zur Zahlung von 78.720 EUR brutto nebst Zinsen verurteilt. Diese steht dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Bonus in Höhe von 78.720 EUR brutto. Weder dem Arbeitsgericht noch dem Hessis...

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