Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsstrafe wegen Vertragsbruch

 

Leitsatz (amtlich)

Wird eine Vertragsstrafe für den Fall des Vertragsbruchs vereinbart, dann erfaßt eine solche Vertragsklausel grundsätzlich nur den Fall der rechtsgrundlosen Einstellung der Arbeitsleistung, nicht aber den Fall der durch vertragswidriges Verhalten veranlaßten fristlosen Arbeitgeberkündigung (gegen LArbG Baden-Württemberg vom 13.12.1978 – 8 Sa 98/78)

 

Normenkette

BGB § 339

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 24.10.1989; Aktenzeichen 4 Ca 401/88)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.09.1991; Aktenzeichen 5 AZR 650/90)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 24. Oktober 1989 – Aktenzeichen 4 Ca 401/88 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus behaupteten unerlaubten Handlungen der Beklagten sowie um deren Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Brutto-Monatsgehalts.

Die Beklagte war seit 1.4.1983 als Kassiererin im Verkaufscenter der Beklagen beschäftigt. In § 6 des Arbeitsvertrages heißt es unter anderem:

Bei Vertragsbruch des Mitarbeiters wird eine Vertragsstrafe in Höhe der gesamten Nettobezüge fällig, auf die der Mitarbeiter bei ordnungsgemäßer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum nächst zulässigen Kündigungstermin Anspruch gehabt hätte.

Am 3.10.1988 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fristlos aus wichtigem Grund. Die Beklagte hat diese Kündigung hingenommen.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe in der Zeit von Oktober 1986 bis September 1988 unter Ausstellung fingierter Belege insgesamt 52.730,35 DM aus der ihr anvertrauten Kasse entnommen und für sich verwendet. Sie hat gemeint, die Beklagte hafte nicht nur auf Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens, sondern sei auch zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet. Der Begriff des „Vertragsbruchs” in § 6 des Vertrages erfasse nämlich auch den Fall der durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers veranlaßten außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers. Die Beklagte hat schließlich vorgetragen, zumindest in Höhe der Vertragsstrafe und eines bereits jetzt feststehenden Schadens in Höhe von 800,– DM sei der Rechtsstreit trotz noch nicht abgeschlossener strafrechtlicher Ermittlungen auch entscheidungsreif.

Die Klägerin hat beantragt,

durch Teil-Urteil

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.075,– DM nebst 8 % Zinsen seit 1. Oktober 1988 zu zahlen.

Die Beklagte hat,

die Klageforderung in Höhe von 800,– DM anerkannt

und im übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Vertragsstraferegelung in § 6 des Arbeitsvertrages erfasse lediglich den Fall der rechtswidrigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Arbeitnehmer selbst. Da jedoch die Klägerin gekündigt habe, könne sie nicht Zahlung einer Vertragsstrafe fordern.

Das Arbeitsgericht hat den anerkannten Betrag zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte sei nicht vertragsbrüchig im Sinne des § 6 des Arbeitsvertrages geworden. Diese habe durch die Unterschlagung nämlich keine vertragliche Hauptpflicht, sondern nur die ihr obliegende vertragliche Nebenpflicht, das Vermögen der Beklagten nicht zu schädigen, verletzt. Die Kündigung der Klägerin, nicht aber die Pflichtverletzung der Beklagten habe zur Beendigung des Vertrages geführt. Die Beendigung sei daher nur mittelbare Folge der Nebenpflichtverletzung. In Fällen dieser Art. könne von Vertragsbruch nicht gesprochen werden. Diese müßten vielmehr ausdrücklich und zusätzlich in das Vertragsstrafeversprechen aufgenommen werden.

Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht angenommen, die Verletzung solcher Nebenpflichten aber sei nach der Parteivereinbarung nicht durch das Vertragsstrafeversprechen gesichert. Hierzu habe es einer ausdrücklichen und eindeutigen Abrede bedurft.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 2.11.1989 zugestellte Urteil richtet sich die am 9.11.1989 eingelegte und zugleich begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin meint, der Begriff des Vertragsbruches schließe nach allgemeinem Verständnis auch den Fall der durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers veranlaßten fristlosen Kündigung des Arbeitgebers ein. Die Beklagte nämlich habe es zu vertreten, daß der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar und der Beklagten damit die Erfüllung ihrer Hauptpflicht unmöglich geworden sei. Die Vertragsstrafe solle gerade sicherstellen, daß dem Arbeitgeber die Arbeitskraft stets bis zum nächst zulässigen Kündigungstermin erhalten bleibe, erfasse also auch den Fall der selbstverschuldeten fristlosen Arbeitgeberkündigung.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.275,– DM nebst 8 % Zinsen seit 1.10.1988 zu z...

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