Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Regelungen und ergänzende Auslegung. Kein Eingriff in Tarifautonomie. Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke

 

Leitsatz (amtlich)

§ 2 Abs. 4 Vergütungstarifverträge Nr. 3 und Nr. 4 für das Bodenpersonal der Deutschen Lufthansa AG erfasst alle Umgruppierungstatbestände und differenziert nicht danach, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer vor der bisherigen Tätigkeit ausgeübt hat und wie diese eingruppiert war.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1; TVG § 1; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.03.2013; Aktenzeichen 6 Ca 4575/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.09.2016; Aktenzeichen 4 AZR 1006/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2013, 6 Ca 4575/12, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Höhe der der Klägerin zustehenden tariflichen Vergütung, nachdem diese zunächst aufgrund ihrer eigenen Bewerbung zum 01. März 2011 von der in Vergütungsgruppe C nach § 4 des für die Mitarbeiter des Bodenpersonals geltenden Tarifvertrages Vergütungssystem Boden DLH, gültig ab 01. Dezember 2005 (TV VS, Bl. 61 f d.A.), eingruppierten Tätigkeit als Professional Service 1 in die in Vergütungsgruppe B eingruppierte Tätigkeit als Basic Operations 2 wechselte und dann aufgrund weiterer Bewerbung zum 22. August 2011 von dort in die in Vergütungsgruppe C eingruppierte Tätigkeit als Professional Operations 1.

Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 188 bis 192 d.A.) Bezug genommen. Dies erfolgt mit der Maßgabe, dass die der Klägerin ab 22. August 2011 gezahlte Vergütung bezogen auf das Volumen ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht den Eingangswert der Vergütungsgruppe C darstellt, sondern den um den Umgruppierungsbetrag der Vergütungsgruppe C erhöhten Endwert der Vergütungsgruppe B (1.978,88 € + 130,76 € x 83,33 % = 1.757,96 €).

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 06. März 2013 verkündetes Urteil, 6 Ca 4575/12, überwiegend und unter Abweisung wegen Differenzbeträgen für August 2011, Januar 2012 bis Dezember 2012 und das Weihnachtsgeld 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe mit Übertragung der Tätigkeit als Professional Operations 1 für die Zeit ab 22. August 2011 eine Vergütung nach dem Endwert der Vergütungsgruppe C zu. Zwar bestimme § 2 Abs. 4 VTV Nr. 3, dass sich bei der Umgruppierung eines Mitarbeiters in eine höhere Vergütungsgruppe die bisherige Vergütung (nach der Einarbeitungszeit) - nur - um den Umgruppierungsbetrag der neuen Vergütungsgruppe, mindestens aber auf den Eingangswert der neuen Vergütungsgruppe erhöhe. Die ergänzende Auslegung des Tarifvertrages ergebe aber, dass bei einer Umgruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe, in der der Mitarbeiter bereits Berufserfahrung erworben hatte, die in dieser Tätigkeit bereits durch Steigerungsbeträge anerkannte Berufserfahrung bei der Höhergruppierung in der Weise zu berücksichtigen sei, dass mindestens die zuletzt in der höheren Vergütungsgruppe erreichte Steigerungsstufe erhalten bleibe. Die Regelung zur Umgruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe in § 2 Abs. 4 VTV Nr. 3 berücksichtige es wie die entsprechende Regelung in dem ab 01. Januar 2012 gültigen VTV Nr. 4 nicht, wenn der betreffende Mitarbeiter bereits zuvor Berufserfahrung mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe erworben habe, in die er nach Unterbrechung durch Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe (wieder) höhergruppiert werde. Dies allerdings widerspreche der tarifvertraglichen Vergütungsstruktur. Die Tarifvertragsparteien hätten durch das von ihnen geschaffene Vergütungssystem zum Ausdruck gebracht, dass die durch die Ausübung von Tätigkeiten einer Vergütungsgruppe gewonnene Berufserfahrung zu einer Vergütungserhöhung führt und auch nach längerer Unterbrechung ohne Tätigkeiten dieser Vergütungsgruppe die erlangte und durch die erreichte Steigerungsstufe zusätzlich honorierte Berufserfahrung erhalten bleibe. Die Nichtberücksichtigung bereits zuvor in der höheren Vergütungsgruppe erlangter Berufserfahrung, die bereits zu Stufensteigerungen geführt habe, stelle eine unbewusste Regelungslücke dar. Diese sei dadurch zu schließen, dass bei Umgruppierungen in eine höhere Vergütungsgruppe, in der der Mitarbeiter bereits zuvor Berufserfahrung erworben habe, die in dieser Tätigkeit bereits durch Steigerungsbeträge anerkannte Berufserfahrung bei der Höhergruppierung in der Weise berücksichtigt werde, dass mindestens die zuletzt in der höheren Vergütungsgruppe erreichte Steigerungsstufe erhalten bleibe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 192R bis 196 R d.A.) verwiesen.

Gegen di...

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