Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungsanspruch nach § 113 Abs. 3, 1 BetrVG 1972, wenn rechtskräftig in vorherigem Beschlußverfahren festgestellt wurde, daß keine Betriebsänderung vorliegt. präjudizielle Bindungswirkung dieser Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einem Beschlußverfahren getroffene (rechtskräftige) Feststellung über das (Nicht-)Vorliegen einer Betriebsänderung entfaltet präjudizielle Bindungswirkung für individuelle Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer nach § 113 BetrVG 1972. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber im Hinblick auf das Beschlußverfahren zur Klärung des Vorliegens einer Betriebsänderung keinen Versuch eines Interessenausgleiches unternommen hat: Die Feststellung im Beschlußverfahren, daß keine Betriebsänderung vorliegt, steht. Ansprüchen nach § 113 BetrVG 1972 entgegen.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 113 Abs. 3, 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.07.1985; Aktenzeichen 4 Ca 408/84)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 9. Juli 1985 – 4 Ca 408/84 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine vom Kläger verlangte Abfindung gem. § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG 1972 (Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung sind im folgenden immer solche des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972), weil die Beklagte im Hinblick auf die Schließung ihrer Niederlassung D. nicht den Versuch eines Interessenausgleiches unternommen habe. Der wesentliche Streitpunkt bezieht sich auf die Frage des Vorliegens einer Betriebsänderung und dies auf dem Hintergrund einer von der Beklagten inzwischen erwirkten rechtskräftigen Feststellung in einem Beschlußverfahren, daß die oben genannte Schließung der Niederlassung nicht eine Betriebsänderung i. S. des § 111 sei.

Wegen des zugrundeliegenden Sachverhalts, des Vorbringens und der Anträge der Parteien 1. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung von 22.800,– DM gerichtete Klage abgewiesen mit der Erwägung, daß der Kläger sich die rechtskräftige Feststellung des vorherigen Beschlußverfahrens entgegenhalten lassen müsse, nämlich daß keine Betriebsänderung i. S. des § 111 gegeben sei.

Gegen dieses dem Kläger am 6.9.1985 zugestellte Urteil, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat der Kläger mit einem am 7.10.1985 (Montag) beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese dort am 7.11.1985 begründet.

Der Kläger hält daran fest, daß im Rahmen der gerichtlichen Verfolgung des Abfindungsanspruches nach § 113 Abs. 3, 1 selbständig das Vorliegen einer Betriebsänderung zu prüfen und in Abweichung vom Ergebnis des vorherigen Beschlußverfahrens auch zu bejahen sei. Der dem Arbeitgeber obliegende Versuch der Herbeiführung einer Einigung über einen Interessenausgleich könne nicht durch ein Beschlußverfahren über das Vorliegen einer Betriebsänderung ersetzt werden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß vorliegend die Betriebsänderung tatsächlich am 30.6.1982 durchgeführt worden sei, also zu einem Zeitpunkt, als das von der Beklagten eingeleitete Beschlußverfahren noch nicht beendet gewesen sei. – Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers im übrigen wird auf seine Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 6.11.1985 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 9.7.1985 – 4 Ca 408/84 – die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 22.800,– nebst 4 % Zinsen seit dem 4.1.1985 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil im wesentlichen mit Rechtsausführungen. Insbesondere hebt sie hervor, daß die Pflicht, einen Interessenausgleich zu versuchen, kollektiv-rechtlich sei; die Sanktion für die Verletzung dieser Pflicht individualrechtlich. Ob überhaupt die kollektiv-rechtliche Verpflichtung bestehe, könne und solle auch nur kollektivrechtlich geklärt werden – und dies sei in dem vorherigen Beschlußverfahren denn auch geschehen. –

Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf ihre Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 20.1.1986 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Abfindung abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt in wesentlichen Teilen den dieses Ergebnis tragenden Erwägungen des Arbeitsgerichts und nimmt insoweit auf diese Bezug.

In Ergänzung und Klarstellung der erstinstanzlichen Ausführungen sowie zur Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils gilt folgendes:

1. Eine Bindungswirkung wegen der Frage des Vorliegens einer Betriebsänderung in vorliegendem Prozeß an die rechtskräftige Feststellung zu dieser Frage in dem vorgängigen Beschlußverfahren – Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.12.1982, 11 Ta Bv 87/82 ...

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