Leitsatz (amtlich)

1. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Lohn- oder Gehaltstarifvertrages ist nicht schon deshalb rechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil sie den zugehörigen Manteltarifvertrag nicht erfaßt.

2. Zum Günstigkeitsprinzip bei Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch andere.

3. Eine ablösende Betriebsvereinbarung, die Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien an einen Lohn- u. Gehaltstarifvertrag zur Voraussetzung hat, gewinnt für den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erst dann rechtliche Bedeutung, wenn der Lohn- und Gehaltstarif vertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird.

 

Normenkette

TVG §§ 3-5; BetrVG §§ 77, 87

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.10.1993; Aktenzeichen 8 Ca 82/92)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom19. Okt. 1993 – 8 Ca 82/92 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 942,42 brutto (i.W.: Neunhundertzweiundvierzig 42/100 Deutsche Mark) nebst vier Prozent Zinsen aus dem sich aus DM 942,42 brutto ergabenden Nettobetrag ab 11. Juni 1992 zu bezahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 25/26, die Beklagte zu 1/26.

Das Rechtsmittel der Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger stand seit dem 01.10.1978 als Angestellter in den Diensten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, deren Firmenbezeichnung sich aus Bl. 9 d. A. ergibt. Dieses Unternehmen wurde später durch ein anderes Unternehmen übernommen, mit dem sich die seinerzeit in der Rechtsform der GmbH bestehende Beklagte zusammenschloß. Die arbeitsvertragliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien besteht aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 08.06.1978 (s. Bl. 8 – 16 d. A.) i.d.F. des Vertrages vom 11.04.1988 (s. Bl. 19, 20 d. A.). Hierauf wird inhaltlich zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Seit dem 01.07.1984 erfolgten Gehaltserhöhungen des Klägers unter Anwendung der „Betriebsvereinbarung über die Gehaltsfindung und Leistungsbeurteilung”, die die tarifvertraglich nicht gebundene Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen hatte (s. Bl. 84 – 108 d. A.). Diese Betriebsvereinbarung kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 24.09.1990 zum 31.12.1990. Seit dem 01.07.1991 ist die Beklagte Mitglied des Landesverbandes Groß- und Außenhandel in Hessen. Der von diesem Verband mit der zuständigen Gewerkschaft HBV abgeschlossene Gehaltstarif vertrag vom 08.06.1991 ist ab 01.10.1991 für allgemeinverbindlich erklärt worden (vgl. das Verzeichnis der für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrage des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Stand: 01.01.1992 S. 32). Hinsichtlich der „übertariflichen Gehaltsgestaltung” im Unternehmen der Beklagten kam es am 14.11.1991 zu dem aus Bl. 24 – 26 d. A. ersichtlichen Spruch der Einigungsstelle, auf dessen Inhalt ergänzend verwiesen wird. Es heißt dort auszugsweise:

„2. Jeder Arbeitnehmer wird entsprechend dem jeweils gültigen Tarifvertrag eingruppiert….

5. Bei Arbeitnehmern, die am 14.11.1991 bereits bei der … beschäftigt sind, beinhaltet die Differenz zwischen dem Tarif- und dem Effektivgehalt alle tariflichen und/oder außertariflichen Zulagen, auch wenn sie evtl. zukünftig vereinbart werden. Bei diesen Arbeitnehmern werden tarifliche und/oder außertarifliche Zulagen in der Gehaltsabrechnung nicht gesondert ausgewiesen und nicht zusätzlich zu dem jetzigen Effektivgehalt gezahlt. Durch die Anwendung dieser Abrechnungsmethode dürfen die am 14.11.1991 bei … beschäftigten Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden als die danach eintretenden.

Die heutige Differenz zwischen dem Tarif- und dem Effektivgehalt (Stand: 14.11.1991) kann bei den am 14.11.1991 bereits bei der … beschäftigten Arbeitnehmern in den folgenden Jahren nur insgesamt bis maximal 50 % auf künftige Tariferhöhungen angerechnet werden ….

8. Für die Zeit ab dem 01.07.1991 werden grundsätzlich alle übertariflichen Zulagen um 3,5 % aus dem Tarifgehalt erhöht, welches nach der Tariferhöhung 1991 gilt. Die o. g. Erhöhung wird im Folgemonat nach der in Übereinstimmung mit dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat vorgenommenen Eingruppierung der Mitarbeiter zur Auszahlung gebracht ….”

Mit Schreiben vom 27.04.1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

„… Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß wir ihr Gehalt rückwirkend zum 01. Juli 1991 wie folgt erhöht haben.

Altes Gehalt:

DM 6.420,–

Erhöhung der freiwilligen, übertariflichen Zulage:

DM 116,–

Ihre Bezüge errechnen sich nunmehr wie folgt:

Tarifgehalt V.

DM 3.303,–

außertarifliche Zulage

DM 3.233,–

Hierin enthalten ist eine freiwillige, anrechenbare übertarifliche Zulage in Höhe von DM 1.616.

Neues Gesamtgehalt

DM 6.536,–.

Wir weisen Sie der Ordnung halber darauf hin, daß die freiwillige übertarifliche Zulage teilweise oder ganz auf spätere tarifliche Erhöhungen angerechnet werden kann….”

Nach der Betriebsvereinbarung „Gehaltsfindung und Leistungsbeurteilung” hätte der Kläger ab 01.07.1991 eine Gehaltserhöhung von 6,...

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