Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1) Regelt eine Betriebsvereinbarung über die Erfassung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten der an einer Telefonanlage beschäftigten Mitarbeiter, daß Gespräche mit externen Dritten von einem Vorgesetzten unter bestimmten Umständen mitgehört werden können, ohne daß der Dritte davon weiß, ist dies gesetzeswidrig (§ 134 BGB). Das vom Dritten nicht erlaubte Mithören ist sowohl datenschutz- als auch strafrechtlich verboten (§§ 4 BDSG, 201 StGB).

2) Die Einigungsstelle kann keinen Spruch fällen, wonach eine Abmahnung, die aufgrund der durch die EDV-Anlage erhobenen Daten ausgesprochen werden soll, „mitbestimmungspflichtig in entsprechender Anwendung von § 99 BetrVG” sei. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die nur freiwillig gemäß § 88 BetrVG geschlossen werden kann. Sie ist außerdem zu unbestimmt und nicht praktikabel und daher unwirksam.

3) Stellt eine solche unwirksame Regelung die einzige zugunsten der Arbeitnehmer wirkende Kompensation zu der im übrigen nur den Interessen der Arbeitgeberseite folgenden Gesamtregelung über die Kontrolle des Arbeits- und Leistungsverhaltens der betroffenen Arbeitnehmer dar, ist keine Teilunwirksamkeit festzustellen. Vielmehr ist der gesamte Spruch nicht mehr ermessensgerecht und daher unwirksam. (Rechtsbeschwerde zugelassen)

 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 5, § 87 Abs. 1 Ziff. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 26.02.1993; Aktenzeichen 1 BV 4/93)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 30.08.1995; Aktenzeichen 1 ABR 4/95)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 14. Juli 1993 – 1 BV 4/93 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle betreffend die Einführung einer ACD-Telefonanlage vom 26. Februar 1993 rechtsunwirksam ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle „Einführung und Nutzung von ACD-Telefonanlagen” in den Betrieben des Arbeitgebers.

Der Arbeitgeber und Beteiligte zu 2) betreibt eine Luftfahrtgesellschaft. Der antragstellende Beteiligte zu 1) ist der für ihre Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland gebildete Gesamtbetriebsrat.

In den Reservierungszentralen des Arbeitgebers in Düsseldorf sind ca. 14 und in München ca. 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Ihre Aufgabe besteht in erster Linie darin, telefonische Auskünfte zu erteilen und Flüge zu reservieren. Im Münchner Büro sitzen jeweils vier Reservierungskräfte an einem Schreibtischblock. Alle Mitarbeiter haben jeweils ihren eigenen Schreibtisch mit je einem Computer und Telefon. Sie haben Blickkontakt und können sich miteinander unterhalten; allerdings tragen sie meist Kopfhörer.

Am 26.02.1993 tagte die Einigungsstelle unter Vorsitz vom Richter am Arbeitsgericht …. Mit den Stimmen der Arbeitgeberseite und gegen die Stimmen der Betriebsratsseite kam durch Spruch eine Betriebsvereinbarung zustande, die die Einführung und Nutzung einer ACD-Telefonanlage regelt. Hierin heißt es:

Präambel

… ist ein Dienstleistungsunternehmen, dessen Bestreben, bei Kunden ständig präsent zu sein, durch die Einführung und Nutzung der neuen ACD-Telefonanlage unterstützt werden soll. Die Gewinnung der Daten, die diese Telefonanlage zur Verfügung stellt, ist für … erforderlich, um ihren Kunden ein qualitativ hochwertiges Leistungsangebot anbieten zu können.

Gleichzeitig soll den Mitarbeitern eine dem Stand der Technik entsprechende gerechte Arbeitsverteilung ermöglicht werden.

§ 1 Geltungsbereich

(1) Die folgende Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in allen … -Büros mit einer ACD-Telefonanlage Northern Telecom Meridian SL 1, unabhängig, ob bereits eingeführt ist oder erst in Zukunft wird. … wird unverzüglich eine Anlagenbeschreibung über den Ist-Zustand erstellen und dem Gesamtbetriebsrat aushändigen. Vor jeder Änderung der Hard- oder Software ist der Gesamtbetriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, um mitbestimmungspflichtige Tatbestände prüfen zu können. Jede Änderung und Erweiterung der Anlage und der Datenfelder, soweit es sich nicht ausschließlich um eine Ausweitung der Bedienplätze handelt, bedarf der Zustimmung des Gesamtbetriebsrates.

(2) Die Anlage wird ausschließlich in dem durch diese Betriebsvereinbarung gesetzten Rahmen benutzt.

§ 2 Zweck der Anlagennutzung

Der Zweck der Anlage besteht in einer automatischen Anruf Verteilung, wobei die eingehenden Anrufe gerecht auf die einzelnen Bedienplätze verteilt werden. Es sollen auch die Zahl der eingehenden Anrufe vor Verteilung auf die einzelnen Bedienplätze sowie die Anzahl der nicht verteilten Anrufe summarisch erfaßt werden. Hieraus sollen auch Rückschlüsse auf Personalbedarf und Büroöffnungszeiten zugelassen sein.

§ 3 Auswertungen

(1) Die Anlage kann folgende Darstellungen gedruckt oder mittels Bildschirm abgeben:

  1. Laufende Statusanzeige
  2. Report 1 (Bedienplatzgruppenreport)
  3. Report 2 ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge