Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsichtsratswahl. Delegiertenwahl. Leiharbeitnehmer. Schwellenwert. unmittelbare Wahl. Berechnung der Arbeitnehmerzahl. wahlberechtigte Leiharbeitnehmer. Wahlen zum Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl oder Delegiertenwahl

 

Leitsatz (amtlich)

Wahlberechtigte Leiharbeitnehmer im Sinne des § 7 Satz 2 BetrVG zählen bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl für die Frage, ob die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl oder Delegiertenwahl (bei mehr als 8.000 Arbeitnehmern) gewählt werden, mit.

 

Normenkette

MitbestG § 9; BetrVG § 5 Abs. 1, § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 22.08.2012; Aktenzeichen 10 BV 6/11)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 04.11.2015; Aktenzeichen 7 ABR 42/13)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 14) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 22. August 2012 - 10 BV 6/11 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer als Delegiertenwahl oder unmittelbare Wahl durchzuführen ist.

Die Beteiligten zu 1) bis 14) sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 16). Diese hält 100 % der Geschäftsanteile der Beteiligten zu 17) und 18). Es besteht ein Aufsichtsrat mit je acht Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Nachdem in den letzten Jahren die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat jeweils auf Antrag der IG BCE durch Beschluss des Amtsgerichts gemäß § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG in Verb. mit § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG bestellt worden waren, wurde der Gesamtbetriebsrat durch Beschluss des Hess. Landesarbeitsgerichts vom 29. Juli 2010 (- 9 TaBV 4/10 -) verpflichtet, im Unternehmen der Beteiligten zu 16) einen aus drei Mitgliedern bestehenden Hauptwahlvorstand zur Durchführung der Aufsichtsratswahlen nach dem MitbestG 1976 zu bestellen. Das Unternehmen hat durch Aushang vom 12. Mai 2011 (Bl. 12 bis 14 d. A.) bekannt gemacht, bei den Beteiligten zu 16) bis 18) seien insgesamt 7678 Arbeitnehmer beschäftigt. In seiner Bekanntmachung über die Art der Wahl vom 5. Juli 2011, ausgehängt am 11. Juli 2011 (Bl. 11 d. A.) hat der Hauptwahlvorstand mitgeteilt, dass die Wahl gemäß § 9 Abs. 1 MitbestG als Delegiertenwahl durchgeführt wird, wenn nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. Ein solcher Beschluss wurde nicht gefasst. Durch weiteren Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Sept. 2011 - 9 TaBVGa 166/11 - wurde dem Beteiligten zu 15) untersagt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Wahl als Delegiertenwahl durchzuführen.

Der Hauptwahlvorstand ist von einer Delegiertenwahl ausgegangen. In seiner Sitzung vom 5. Juli 2011 stellte er für den 1. Juli 2011 eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 8.341 Personen fest (7.875 Arbeitnehmer, 22 leitende Angestellte und 444 Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen, Protokoll Bl. 35 bis 37 d. A., Übersicht Bl. 42 d. A.).

Mit vorliegendem am 9. Aug. 2011 beim Arbeitsgericht Hanau eingeleiteten Hauptsacheverfahren wollen die Beteiligten zu 1) bis 14) den Hauptwahlvorstand verpflichtet sehen, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl durchzuführen. Sie sind der Auffassung gewesen, es habe eine unmittelbare Wahl stattzufinden, da Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nach § 9 Abs. 1 und 2 MitbestG nicht mitzählten. Es sei auch nicht ersichtlich, aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen der Hauptwahlvorstand zu der von ihm zugrunde gelegten Arbeitnehmerzahl gelangt sei. 2010 habe die Beteiligte zu 16) keine Leiharbeitnehmer beschäftigt, für 2011 habe man 33 bis 73 Leiharbeitnehmer in der Produktion eingeplant. Diese seien bei der Beteiligten zu 16) zum größten Teil als Konjunkturpuffer eingesetzt. Zum 31. März 2012 sei die Zahl der Leiharbeitnehmer wieder auf das Niveau vor dem Boom zurückgefahren worden, so dass Ende des ersten Vierteljahres nur noch 168 Leiharbeitnehmer im Konzern gearbeitet hätten. Dass die Leiharbeitnehmer auf Planstellen eingesetzt seien, behaupteten die Beteiligten zu 15) bis 18) nur ins Blaue hinein und könne nicht überprüft werden.

Die Beteiligten zu 1) bis 14) haben beantragt,

dem Hauptwahlvorstand (Beteiligter zu 15)) aufzugeben, die Wahlen der Arbeitnehmervertreter zu dem bei der Beteiligten zu 16) bestehenden Aufsichtsrat in unmittelbarer Wahl nach § 9 Abs. 2 MitbestG durchzuführen.

Die Beteiligten zu 15) bis 18) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 15) bis 18) haben vorgetragen, am 5. Juli 2011 sei eine Beschäftigtenzahl von 8.341 Mitarbeitern festgestellt worden (Beweis: Listen auf Datenträger (CD-ROM) Bl. 82 d. A.). Die dabei zu berücksichtigenden 444 Leiharbeitnehmer belegten Stammarbeitsplätze mit festen Arbeitsplätzen und einer betrieblichen Ausbildung. Ende März 2012 - so die Arbeitsdirektorin der Beteiligten zu 16) im Anhörungstermin vom 26. März 2012 - seien nur 200 Leiharbeitnehmer beschäftigt worden, di...

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