Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats in Bezug auf Zugangszeiten zum Werksgelände. Betriebsratssitzung auch bei Home-Office möglich. Organisation des Betriebs berührt nicht dessen Ordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch darauf, dass Arbeitnehmer erst ab 5:45 Uhr auf das Werksgelände gelassen werden.

2. Home-Office hindert die Teilnahme an der Betriebsratssitzung nicht.

3. Der Betriebsrat muss über die Teilnahme eines Mitglieds per Video durch Beschluss entscheiden.

 

Normenkette

ZPO § 138 Abs. 4; BetrVG §§ 29, 33, 87 Abs. 1, §§ 129, 23 Abs. 1; ArbGG § 87 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 12.11.2020; Aktenzeichen 8 BV 10/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 12.11.2020 – 8 BV 10/20 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag nicht unzulässig, sondern unbegründet ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsantrag des Betriebsrats, Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb vor 5:45 Uhr, hilfsweise 5:30 Uhr zu verwehren.

Im Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 2 und 3 ist ein aus 11 Mitgliedern bestehender Betriebsrat (Antragsteller) gebildet. Die betriebsübliche Arbeitszeit beginnt frühestens um 6:00 Uhr und endet spätestens um 0:30 Uhr. Der Zugang zum Betrieb ist in der Betriebsvereinbarung über die Ordnung des Betriebs vom 4. März 2020 geregelt und erfolgt mittels Ausweis an 2 so genannten Vereinzelungsanlagen (Drehkreuze); wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung wird auf Bl. 7-14 der Akte Bezug genommen. Die Öffnungszeiten des Gemeinschaftsbetriebs sind nicht durch eine Betriebsvereinbarung geregelt. Im März 2020 stellte der Betriebsrat fest, dass sich die Drehkreuze durch den Werksausweis erst um 5:30 Uhr öffnen lassen. Er forderte die Arbeitgeber erfolglos auf, die Drehkreuze vor 5:30 Uhr mittels Werksausweis benutzen zu können.

Die Arbeitgeber haben bestritten, dass der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 10. Juni 2020 einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens gefasst hat. Deshalb sei der Antrag bereits unzulässig. Sie haben die Auffassung vertreten, jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die Festlegung der Öffnungszeiten des Betriebsgeländes nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 111-112 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 112-113 der Akte) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 19. November 2020 zugestellt, der dagegen am 27. November 2020 Beschwerde eingelegt und diese am 16. Dezember 2020 begründet hat.

Der Betriebsrat rügt, das Arbeitsgericht habe den Antrag zu Unrecht bereits als unzulässig abgewiesen. Der Betriebsrat habe bereits erstinstanzlich zur Beschlussfassung vorgetragen und die Vorlage des Einladungsschreibens und des Sitzungsprotokolls des Betriebsrats von einer entsprechenden Anordnung des Gerichts abhängig gemacht. Spätestens nach dem detaillierten Vortrag des Betriebsrats sei ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen nicht mehr ausreichend gewesen. Der Betriebsrat habe im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht alle erforderlichen Unterlagen dabeigehabt und hätte sie auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts vorlegen können. Soweit das Arbeitsgericht im Beschluss ausführe, Geheimhaltungspflichten seien nicht erkennbar, berücksichtige es § 79 BetrVG nicht hinreichend. Der Antrag sei auch begründet. Es möge zwar sein, dass die Festlegung der Betriebsöffnungszeiten mitbestimmungsfrei sei. Regelungen des Betretens und Verlassens des Betriebs unterlägen jedoch der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese gehörten zur Ordnung des Betriebes. Es sei mitbestimmt zu regeln, wie sich die Arbeitnehmer in Anbetracht der festgelegten Betriebsöffnungszeiten verhalten sollen. Fehlerhaft nehme das Arbeitsgericht an, dass dadurch, dass die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung keine Regelungen zu den Betriebsöffnungszeiten vorsehen würde, auch kein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung gegeben sei. Dies ergebe sich hier aber daraus, dass der Zutritt allein unter der Voraussetzung erfolge, dass sich die Arbeitnehmer ordnungsgemäß ausweisen. Daher sei der Arbeitgeber gehindert, faktisch weitere Zugangsbeschränkungen einzuführen. Dies gelte besonders im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wenn durch die Festlegung der Betriebsöffnungszeiten Fragen des Gesundheitsschutzes angesprochen werden. Bei Betriebsöffnungszeiten, die fast identisch mit den betriebsüblichen Arbeitszeiten sind, sei zu gewährleisten, dass der Hygieneschutz und die Einhaltung der Abstandsregelungen eingehalten...

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