Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschiebung. Ausweisung. Duldung. Ehe und Familie. Ist-Ausweisung. Privat- und Familienleben. Abschiebung eines wegen Heroinhandels ausgewiesenen Familienvaters. Ausländerrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Regelungen des deutschen Ausländerrechts über Zuzug, Aufenthalt und Ausweisung von Familienangehörigen entsprechen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK.

2. Können familiäre Belange nach diesem System nicht berücksichtigt werden, z. B. bei einer Ist-Ausweisung, kommt zum Schutz von Ehe und Familie die Erteilung einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis in Betracht.

3. In diesem Fall ist die Vereinbarkeit der Ausweisungsfolgen mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK im Verfahren um die Abschiebung zu prüfen.

 

Normenkette

AuslG § 30 Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 8 Abs. 2; EMRK Art. 8; GG Art. 6 Abs. 1; VwGO § 123 Abs. 1, § 80 Abs. 5, § 48 Abs. 1, § 55 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG Darmstadt (Beschluss vom 01.08.2003; Aktenzeichen 8 G 2792/02 (2))

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 1. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Mit der Beschwerde wird ausweislich des Antrags in dem Schriftsatz vom 19. September 2003 vorläufiger Rechtsschutz ausschließlich gegen den Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung und der dort enthaltenen Abschiebungsandrohung begehrt, nicht jedoch hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis in dem ausländerbehördlichen Bescheid vom 8. November 2002. Das Verwaltungsgericht hat bezüglich der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis die Zulässigkeit des Rechtsschutzantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO unterstellt und diesen Antrag als unbegründet angesehen und abgelehnt. Mit der Beschwerde wird der verwaltungsgerichtliche Beschluss insoweit nicht angegriffen mit der Folge, dass dem beschließenden Senat eine Überprüfung insoweit verwehrt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). Die Beschränkung auf die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung ergibt sich nicht nur aus dem insoweit eindeutig formulierten Beschwerdeantrag, sondern auch aus den einleitenden Bezeichnungen des Beschwerdegegenstands in den Schriftsätzen vom 23. August 2003 „wegen Ausweisung”) und vom 19. September 2003 „wegen Abschiebung”) sowie aus der Beschränkung der Beschwerdebegründung auf das Vorliegen eines rechtlichen Abschiebungshindernisses aufgrund von Art. 8 EMRK.

2. Bei dieser Auslegung kann die Beschwerde hinsichtlich der Ausweisungsverfügung schon deswegen keinen Erfolg haben, weil der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz insoweit unzulässig ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht, ohne dass dies von der Beschwerde beachtet wird, zutreffend ausgeführt hat, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ausweisungsverfügung deshalb unzulässig, weil die Ausländerbehörde insoweit nicht die sofortige Vollziehung angeordnet hat und dem Widerspruch damit von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).

Im Übrigen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung, die als Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 16 Hess. AGVwGO), zwar statthaft, es erscheint aber fraglich, ob in diesem Zusammenhang überhaupt Abschiebungshindernisse geltend gemacht werden können. Selbst wenn nämlich eines der Abschiebungshindernisse nach §§ 51, 53, 54 und 55 AuslG festgestellt wird, hindert dies nicht den Erlass einer Abschiebungsandrohung (§ 50 Abs. 3 Sätze 1 und 3 AuslG), und zwar auch bei nicht auf einen Zielstaat bezogenen Hindernissen wie den hier nach § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geltend gemachten. Damit ist auch eine Bezeichnung des Staats ausgeschlossen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG; VGH Baden-Württemberg, 04.03.1999 – 13 S 742/98 –, EZAR 044 Nr. 15). Außerdem spricht gegen die Zulässigkeit der hier vorgebrachten Einwände im Rahmen der Überprüfung der Abschiebungsandrohung, dass die in § 55 Abs. 2 AuslG genannten Duldungsgründe grundsätzlich bereits bei der Entscheidung über die Ausweisung zu berücksichtigen sind (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG). Allerdings ist eine derartige Berücksichtigung von Abschiebungshindernissen bei der Entscheidung über die Ausweisung ausgeschlossen, wenn es sich wie hier um eine Ist-Ausweisung oder gegebenenfalls um eine Regel-Ausweisung handelt, bei der die Ausweisung der Ausländerbehörde zwingend vorgeschrieben und eine Beachtung der in § 45 Abs. 2 AuslG genannten Gründe allenfalls bei der Feststellung einer von der Regel des § 47 Abs. 2 AuslG abweichenden atypischen Fallkonstellation möglich ist (dazu Hess. VGH, 14.03.1996 – 12 TG 360/96 –, EZAR 030 Nr. 5 ...

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