Leitsatz

  1. Verwalter müssen sich in subjektiven Wertungsäußerungen im Regelfall auch heftige Eigentümerkritik gefallen lassen
  2. Ein landesrechtliches Schlichtungsverfahren ist entbehrlich, wenn der Verwalter nicht persönlich in seiner Ehre, sondern im Zusammenhang mit seiner beruflichen Verwaltertätigkeit angegriffen wird
 

Normenkette

§§ 823, 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Ein Eigentümer hatte behauptet, dass der Verwalter "zwei Gerichtsverfahren – massiv – manipuliert" habe. Dagegen wehrte sich der Verwalter mit einer Unterlassungs- und Schadensersatzklage.

    Die Klage des Verwalters mit geltend gemachten Ansprüchen nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB war jedenfalls nicht wegen fehlender Durchführung eines Schlichtungsverfahrens unzulässig. Art. 1 des bayerischen Gesetzes zum Schlichtungsverfahren ist nicht einschlägig, da es vorliegend nicht um einen Angriff auf die persönliche Ehre einer Privatperson ging, die beanstandeten Äußerungen vielmehr die Verwaltungstätigkeit der Klägerin betrafen und primär deren berufliches Ansehen bzw. ihre geschäftliche Reputation tangiert wurde.

  2. Auch war der Klägerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ihre Ansprüche gegen die streitgegenständlichen Behauptungen abzusprechen, da sie nicht direkt in Rechtsstreitigkeiten, sondern nur im Kontext, d.h. nach Abschluss einschlägiger Verfahren aufgestellt wurden. Nach h.M. können allein ehrkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in der Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Hier hatte der Beklagte seine Vorwürfe erst nach Abschluss einschlägiger Gerichtsverfahren erhoben und die seinerzeitige Verfahrensführung kritisiert.
  3. Was den geltend gemachten Unterlassungsanspruch betrifft, fehlte es jedoch an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Nachdem es sich hier um einen offenen Tatbestand im Sinne einer Generalklausel handelt, gilt vorliegend nicht der ansonsten im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB geltende Grundsatz, dass die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit indiziert; vielmehr ist die Rechtswidrigkeit vorliegend positiv festzustellen, wobei die kollidierenden Grundrechte des Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) sowie Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) gegeneinander abzuwägen sind.

    Was die Beurteilung der Widerrechtlichkeit einer das Persönlichkeitsrecht verletzenden Handlung betrifft, ist grundsätzlich zwischen Tatsachenbehauptungen, Werturteilen oder Meinungsäußerungen zunächst auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) abzustellen, dem allerdings nach Art. 5 Abs. 2 GG Schranken gesetzt sind. Im Zuge dieser Differenzierung wird bei alleinigen Werturteilen in der Regel der Meinungsfreiheit Vorrang eingeräumt; eine Ausnahme hiervon besteht dann, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder als Formularbeleidigung darstellt. Unerheblich ist hierbei, ob eine Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational begründet ist.

    Für Tatsachenbehauptungen gilt dies allerdings nicht in gleicher Weise. Bewusst unwahre Tatsachen oder solche, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung zweifelsfrei feststeht, fallen nicht unter Art. 5 GG, da die unrichtige Information unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut darstellt (Rechtsprechung des BVerfG und des BayObLG). Dabei unterscheiden sich Tatsachenbehauptungen von Werturteilen dadurch, dass bei Werturteilen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während bei Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist. Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es also wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dabei ist die beanstandete Äußerung im Gesamtkontext, in dem sie gefallen ist, zu beurteilen und darf nicht aus dem betreffenden Zusammenhang herausgelöst und rein isoliert betrachtet werden. Freie Meinungsäußerung ist grundsätzlich weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich dieses Grundrechts. Das muss auch dann gelten, wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen, jedenfalls dann, wenn sich beide nicht trennen lassen und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt (vgl. auch BGH, NJW 2002 S. 1192, 1193).

  4. Vorliegend war die beanstandete Äußerung des Beklagten durch Art. 5 GG gedeckt und als reine Meinungsäußerung zu werten. Der Vorwurf des Beklagten, der Kläger habe "zwei Gerichtsverfahren – massiv – manipuliert", stellt lediglich eine pauschale subjektive Bewertung dieses Ausschnitts aus der Verwaltertätigkeit des Klägers dar (so z. B. auch bei Vorwürfen einer Lüge, Täu...

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