Leitsatz

Ein werdender Wohnungseigentümer bleibt auch dann Mitglied des Verbands, wenn er die Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Besitzübertragung veräußert (insoweit Aufgabe von BGH, Urteil vom 14. Juni 1965, VII ZR 160/63, BGHZ 44, 43, 45); der Erwerber ist nicht als werdender Wohnungseigentümer anzusehen und schuldet kein Hausgeld aus einem Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG

 

Das Problem

  1. Frau T kauft im Jahre 2004 von einem Bauträger ein Wohnungseigentum. Zu T's Gunsten wird im Juli 2004 im Wohnungsgrundbuch eine Vormerkung eingetragen. Im September 2004 wird ein weiterer Erwerber als Wohnungseigentümer eines Wohnungseigentums eingetragen. Zu einer Eintragung von Frau T kommt es nicht. Spätestens im Jahr 2006 nimmt Frau T das Wohnungseigentum in Besitz (sie wird "werdende" Wohnungseigentümerin) und lebt dort mit ihrer Mutter Frau B.
  2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagt im Jahre 2010 den Bauträger in Bezug auf das Wohnungseigentum auf Zahlung rückständigen Hausgelds für die Jahre 2007 bis 2010. Das Amtsgericht gibt der Klage statt. Auf die Berufung des Bauträgers wird die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.5.2012, V ZR 196/11, NJW 2012 S. 2650, wird das landgerichtliche Urteil bestätigt.
  3. In der Versammlung vom 13.7.2012 werden die Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne des Wirtschaftsjahres 2013 beschlossen.
  4. Im Oktober 2012 kauft Frau B ihrer Tochter, Frau T, das Wohnungseigentum ab. Frau T tritt daher Frau B ihre Auflassungsvormerkung ab, was am 12.10.2012 ins Wohnungsgrundbuch auch eingetragen wird. In der Versammlung vom 12.7.2013 werden die Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2012 sowie eine Sonderumlage zur Finanzierung der Erneuerung eines Torantriebs beschlossen.
  5. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagt im Jahr 2013 nun gegen Frau B auf Zahlung der Abrechnungsspitzen für das Jahr 2012 sowie Begleichung des Hausgelds für das Jahr 2013 bis einschließlich des Monats Oktober 2013 sowie auf anteilige Zahlung der Sonderumlage in Höhe von insgesamt 4.378,47 EUR. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sieht Frau B als werdende Wohnungseigentümerin an. Frau B meint, als "Zweiterwerberin" könnte sie keine Zahlungspflichten treffen. Das Amtsgericht verurteilt Frau B dennoch. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.5.2012, V ZR 196/11, NJW 2012 S. 2650, stehe fest, dass der Bauträger als im Grundbuch eingetragener Eigentümer das Hausgeld nicht schulde, da Frau T werdende Wohnungseigentümerin geworden sei. Nach Abtretung der Auflassungsvormerkung sei jetzt Frau B werdende Wohnungseigentümerin. Gegen diese Sichtweise wendet sich Frau B mit der Berufung. Sie meint weiterhin, sie sei als Zweiterwerberin anzusehen. Auf die Berufung weist das Landgericht die Klage ab. Mit der Revision will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Zurückweisung der Berufung erreichen.
 

Die Entscheidung

  1. Die Revision hat keinen Erfolg. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs schuldet die Beklagte die geforderten Beträge nicht. Sie sei keine Wohnungseigentümerin "im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG". Eine entsprechende Anwendung dieser Norm scheide aus, weil die Beklagte nicht als werdende Wohnungseigentümerin anzusehen sei. Diese Rechtsstellung habe ihre Mutter spätestens im Jahr 2006 erlangt mit der Folge, dass (nur) sie seither die Kosten und Lasten zu tragen habe. Hieran habe sich durch die Veräußerung nichts geändert.
  2. In der "Entstehungsphase einer Wohnungseigentümergemeinschaft" sei jedenfalls im Innenverhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Ersterwerbern eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes geboten, sobald die Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzen und infolge des vertraglich vereinbarten Übergangs der Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran hätten, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage vorzeitig auszuüben. Beides sei anzunehmen, wenn ein wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliege, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert sei und der Besitz an der "Wohnung" auf den Erwerber übergegangen sei. Infolgedessen könne der werdende Wohnungseigentümer einerseits die Mitwirkungsrechte ausüben. Andererseits habe nur er gemäß § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten zu tragen (Hinweis auf BGH v. 11.5.2012, V ZR 196/11, BGHZ 193 S. 219 Rn. 5 und v. 5.6.2008, V ZB 85/07, BGHZ 177 S. 53 Rn. 12 ff.).
  3. Dies gelte im Grundsatz auch dann, wenn sich die Erwerbsposition erst nach Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft rechtlich verfestigt habe (Hinweis auf BGH v. 11.5.2012, V ZR 196/11, BGHZ 193 S. 219 Rn. 8 ff.). Bei der Veräußerung von "Wohnungen" aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft heraus (Zweiterwerb) habe der Bundesgerichtshof die vorverlagerte Anwend...

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