Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Vaterschaft und Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Das Kindschaftsverhältnis zum Vater entfällt bei einer erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Tag der Geburt des Kindes.

Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft durch den deutschen Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der ausländischen Mutter des Kindes verheiratet ist, führt ohne Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 GG zu einem Fortfall des auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG gestützten Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit von Anfang an.

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Urteil vom 21.05.2003)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.10.2006; Aktenzeichen 2 BvR 696/04)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 21. Mai 2003 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 4.000,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger begehrt die Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit.

Der Kläger wurde am 15. Juni 1998 in Hamburg geboren. Seine Mutter ist albanische Staatsangehörige. Sie schloss am in Tirana die Ehe mit dem deutschen Staatsangehörigen H. J. B.. Die in Hamburg geführte Ehe wurde im Januar 2000 geschieden. Auf die Anfechtung der Vaterschaft durch Herrn B. stellte das Amtsgericht Hamburg durch rechtskräftiges Urteil vom … (berichtigt durch Beschluss v. …) fest, dass der Kläger nicht von diesem abstammt.

Der Kläger erhob im Juni 2002 Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg mit dem Antrag, festzustellen, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, hilfsweise festzustellen, dass er staatenlos ist.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Klage mit Urteil vom 21. Mai 2003 abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird Bezug genommen.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung aus den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO. Das Urteil sei unrichtig, weil das Verwaltungsgericht die verfassungsrechtlichen Vorgaben verkenne. Dem Fortfall der deutschen Staatsangehörigkeit in der Folge der Vaterschaftsanfechtung stehe Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG entgegen. Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit sei deren vom Betroffenen nicht beeinflussbarer Fortfall. Diese Merkmale lägen vor: Er, der Kläger, habe die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 StAG durch Geburt erworben. Auf die Anfechtung der Vaterschaft habe er keinen Einfluss gehabt. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Fortfall der deutschen Staatsangehörigkeit stelle die zwangsläufige Folge eines Hoheitsakts in Gestalt des Urteils über die Vaterschaftsanfechtung dar. – Die Rechtssache weise wegen ihrer verfassungsrechtlichen Natur besondere rechtliche Schwierigkeiten in drei Hinsichten auf: Die Gleichstellung mit einem Betroffenen, der seine Einbürgerung erschlichen habe, verbiete sich, weil ihn, den Kläger, in Bezug auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit kein Vorwurf treffe. Die Rechtskonstruktion eines auflösend bedingten Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit sei mit Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar. Die Vaterschaftsanfechtung dürfe wegen der konstitutiven Bedeutung des Urteils nicht als privatrechtlicher Vorgang eingeordnet werden, gegenüber dem es Art. 16 Abs. 1 GG an der erforderlichen Drittwirkung fehle. – Der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil die für eine Vielzahl von Fällen bedeutsame verfassungsrechtliche Frage der Auswirkung der Vaterschaftsanfechtung auf den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status des Kindes höchstrichterlich noch nicht geklärt sei.

 

Entscheidungsgründe

II. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor, § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO.

1. Die im Zulassungsantrag vorgebrachten rechtlichen Erwägungen führen nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die im Hauptantrag begehrte Feststellung, dass der Kläger deutscher Staatsangehöriger sei, zu Recht nicht getroffen. Die geltend gemachte Verletzung des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG besteht nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht (Beschl. v. 6.3.2001 – 3 Bs 64/01 –; v. 28.6.2001 – 3 Bs 15/01 –; v. 20.9.2002 – 4 Bs 238/02 –, NordÖR 2003 S. 519; v. 14.5.2003 – 3 So 50/03 –).

Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit nach der im Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (in der Fassung des Gesetzes v. 30.6.1993, BGBl. I S. 1062, 1072 – RuStAG –; mit unverändertem Text nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG) nicht erworben, weil es an der Voraussetzung fehlt, dass ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die Mutter des Klägers ist Albanerin. Der deutsche Staatsangehörige H. J. B., auf den der Kläger den Staatsangehörigkeitserwerb stützt, ist nicht „Elternteil” im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG. Der Staatsangehörigkeitserwerb ist nach dieser Vorschrift nicht an die Eh...

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