Leitsatz

Keine Haftung der Gemeinschaft aus Verkehrssicherungspflichtverletzung, wenn ein fremder Dritter in Abkürzung den gemeinschaftlichen Garagenvorplatz benutzt und dort bei Schneeglätte stürzt

 

Normenkette

§ 823 BGB

 

Kommentar

  1. Der Kläger benutzte als Fußgänger in Abkürzung seines Weges einen auf gemeinschaftlichem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft befindlichen Garagenvorplatz und stürzte dort bei Schneeglätte mangels erfolgter Räum- und Streupflichten. Hinsichtlich mehrerer erlittener Frakturen nahm er die Gemeinschaft klageweise auf Schmerzensgeld, Ersatz eines Haushaltsführungsschadens sowie Schadensersatzes für vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten unter Hinweis darauf, dass die Gemeinschaft öffentlichen Verkehr geduldet habe, in Anspruch. Seine Klage hatte in 1. und 2. Instanz allerdings keinen Erfolg.
  2. Ob der Kläger überhaupt auf dem Grundstück der Beklagten gestürzt sei, könne offen bleiben; auf erst in 2. Instanz benannte Zeugen hierfür komme es aus Rechtsgründen gebotener Klageabweisung nicht mehr an.
  3. Die beklagte Gemeinschaft ist vorliegend nicht schadensersatzpflichtig nach §§ 823 Abs. 1 und 2, 31 BGB i.V.m. § 229 StGB. Es fehlt an einer Verkehrssicherungsverpflichtung der Beklagten.

    Duldet allerdings die Eigentümerseite die Nutzung eines Privatgrundstücks durch Unbefugte, können sich grundsätzlich Sicherungspflichten auch auf solche Fremdnutzer eines Grundstücks erstrecken (so nach diverser oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung). Allerdings ist damit noch nichts über den Umfang einer grundsätzlich ausgelösten Verkehrssicherungspflicht gesagt. Insoweit bestimmt sich dieser Umfang generell danach, was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf; eine solche Verkehrsfläche muss nicht schlechthin gefahrlos und frei von Mängeln sein; der Benutzer muss sich an die von ihm vorgefundene Situation anpassen; somit muss er auch mit typischen Gefahren rechnen. Anderes gilt nur dann, wenn ein sorgfältiger Benutzer solche Gefahren nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann oder wenn er sich hierauf nicht einzurichten vermag. Zu hohe Anforderungen können insbesondere im Fall einer bloßen Duldung eines privaten Verkehrs über eigenes Grundstück nicht gestellt werden. Anforderungen sind hier auch nicht den Pflichten auf öffentlichen Gehwegen – in der Regel auf der Grundlage kommunaler Satzungen – gleichzusetzen. Damit ist auch Räum- und Streupflicht für private Wege oder Plätze ohne wirkliches Verkehrsbedürfnis und erfolgter Abkürzungs- oder Bequemlichkeitsfunktion in der Regel zu verneinen.

  4. Vorliegend konnte sich der Kläger auch auf bestehende Nutzungsgefahren rechtzeitig einstellen. Die auf dem Garagenvorplatz vorhandene Schnee- und Eisglätte war gut zu erkennen, wie dies den in den Akten befindlichen Fotos zu entnehmen war. Auch war aufgrund der vorhandenen Glätte ein bestehendes Gesundheitsrisiko nicht so groß und unkalkulierbar, dass aus diesem Grund gesteigerte Sicherungsmaßnahmen geboten gewesen wären. Der Kläger war nicht gezwungen, diese ungeräumte, private Verkehrsfläche zu benutzen, hätte vielmehr auf öffentliche Verkehrsflächen ausweichen können (selbst wenn auch diese nicht von Schnee und Eis geräumt waren). Einer Gemeinschaft können hier nicht öffentlich-rechtliche Verkehrspflichten sozusagen subsidiär überbürdet werden.
 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil v. 16.5.2013, 6 U 178/12

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