Leitsatz

Der gutgläubig lastenfreie Erwerb eines Miteigentumsanteils erstreckt sich auch auf nicht eingetragene, jedoch eintragungsbedürftige Dienstbarkeiten. Nicht gebuchte Dienstbarkeiten, welche an einzelnen Miteigentumsanteilen nicht fortbestehen können, erlöschen dann insgesamt.

 

Normenkette

§ 7 WEG

 

Das Problem

  1. Das Wohnungseigentumsrecht Nr. 1 wird im Februar 2012 vom Bauträger auf einen Erwerber umgeschrieben. Dem Erwerber sind etwaige Dienstbarkeiten nicht bekannt. Im Januar 2013 beantragt ein kommunaler Zweckverband unter Bezugnahme auf eine Leitungs- und Anlagenbescheinigung des Landkreises die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für eine Schmutzwasserleitung, die unter dem Grundstück einer Wohnungseigentumsanlage verläuft (es gibt 26 Wohnungs- und Teileigentumsrechte).
  2. Das Grundbuchamt weist den Antrag, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Beschwerde zurück. Das Oberlandesgericht meint, das Grundbuch sei nicht unrichtig. Zwar sei außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten des kommunalen Zweckverbands entstanden. Diese Dienstbarkeit sei aber durch den gutgläubig lastenfreien Erwerb des Wohnungseigentumsrechts Nr. 1 erloschen. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GBBerG sei § 892 Abs. 1 BGB anzuwenden, da der Umschreibungsantrag nach dem 31. Dezember 2010 gestellt worden sei.

    § 9 GBBerG alte Fassung.

    (1) Zum Besitz und Betrieb sowie zur Unterhaltung und Erneuerung von Energieanlagen (Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas und Fernwärme, einschließlich aller dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen) auf Leitungstrassen, die am 3. Oktober 1990 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet genutzt waren, wird zugunsten des Versorgungsunternehmens (Energieversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes und Fernwärmeversorgungsunternehmen), das die jeweilige Anlage bei Inkrafttreten dieser Vorschrift betreibt, am Tage des Inkrafttretens dieser Vorschrift eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an den Grundstücken begründet, die von der Energieanlage in Anspruch genommen werden. § 892 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt in Ansehung des Ranges für Anträge, die nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift, im Übrigen erst für Anträge, die nach dem 31. Dezember 2010 gestellt werden.

    Dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit das Grundstück insgesamt belastet habe, stehe einem gutgläubig lastenfreien Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Folge des lastenfreien Erwerbs eines Wohnungseigentumsrechts sei das Erlöschen der Belastung am Grundstück insgesamt.

  3. Gegen diese Sichtweise wendet sich der kommunale Zweckverband im Wege der Rechtsbeschwerde.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Der kommunale Zweckverband habe nicht nachgewiesen, dass das Grundbuch unrichtig ist. Das Grundbuch sei aufgrund eines Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO zu berichtigen, wenn ein Versorgungsunternehmen – wie hier der kommunale Zweckverband – seinen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs nicht auf eine Bewilligung des Betroffenen stütze, sondern eine Berichtigung gemäß dem Inhalt einer von der Aufsichtsbehörde erstellten Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung verlange. Nach der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung des Landkreises sei für das Berichtigungsverfahren davon auszugehen, dass an dem Grundstück zunächst nach § 9 Abs. 5 GBBerG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) SachenR-DV kraft Gesetzes außerhalb des Grundbuchs eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit des kommunalen Zweckverbands entstanden sei.
  2. Das Grundbuch sei in Ansehung des außerhalb des Grundbuchs entstandenen Rechts allerdings nur dann unrichtig, wenn dieses Recht im Zeitpunkt des Eingangs des Berichtigungsantrags noch bestehe. Außerhalb des Grundbuchs entstandene, jedoch nicht gebuchte beschränkte persönliche Dienstbarkeiten der Versorgungsunternehmen könnten durch einen gutgläubig lastenfreien Erwerb des Grundstücks nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GBBerG in Verbindung mit § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB erlöschen, wenn der Antrag auf Eintragung der Umschreibung des Eigentums nach dem 31. Dezember 2010 gestellt werde.
  3. Ein solcher gutgläubig lastenfreier Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB sei hier möglich, weil nach den Feststellungen in 2012 – somit nach dem Ablauf der Schutzfrist für die nicht gebuchten Rechte – ein Antrag auf Umschreibung des Eigentums in Vollzug eines notariellen Kaufvertrags bei dem Grundbuchamt einging, die auch in 2012 vollzogen worden sei. Komme ein gutgläubig lastenfreier Erwerb in Betracht, dürfe das Grundbuchamt das nicht gebuchte Recht im Wege der Grundbuchberichtigung nur eintragen, wenn der Antragsteller nachweise, dass der Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs positiv kannte. So etwas habe der kommunale Zweckverband nicht vorgetragen.
  4. Anders wäre es nur, wenn die nicht gebuchte Leitungsdienstbarkeit nicht nach § 892 Abs. 1 BGB erlöschen könnte, solange nicht das ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge