Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer darf grundsätzlich nur in das Bestandsverzeichnis und Abteilung I des Wohnungsgrundbuchs seiner Miteigentümer Einsicht nehmen.

 

Normenkette

§ 12 GBO

 

Das Problem

Wohnungseigentümer K verlangt gemäß § 12 GBO Einsicht in das Wohnungsgrundbuch von Wohnungseigentümer B, gegen den er einen Rechtsstreit führt.

§ 12 GBO (Grundbucheinsicht; Abschriften)

Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Das Gleiche gilt von Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, sowie von den noch nicht erledigten Eintragungsanträgen.

(2) Soweit die Einsicht des Grundbuchs, der im Absatz 1 bezeichneten Urkunden und der noch nicht erledigten Eintragungsanträge gestattet ist, kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.

Das Grundbuchamt lehnt eine solche Einsichtnahme ab. Hiergegen wendet sich K im Wege der Beschwerde zum Kammergericht.

 

Entscheidung

  1. Das Kammergericht weist das Grundbuchamt an, K einen Auszug aus dem Wohnungsgrundbuch"im Umfang von Bestandsverzeichnis und Abteilung I zu erteilen". Insoweit habe der Wohnungseigentümer gemäß § 12 GBO einen Anspruch auf Erteilung eines Grundbuchauszugs.
  2. Ein weitergehendes Einsichtsrecht bestehe "derzeit" hingegen nicht. Gemäß § 12 Abs. 1 GBO sei die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlege. Ein berechtigtes Interesse sei gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolge; es müssten sachliche Gründe vorgetragen werden, welche die Verfolgung unberechtigter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen.
  3. Darin, dass K gegen B einen Rechtsstreit führe, liege noch kein berechtigtes Interesse an der Einsicht. Diese ergäbe sich aber aus dem Umstand, dass K und B Wohnungseigentumsrechte in derselben Wohnungseigentumsanlage hätten. Das Interesse eines Wohnungseigentümers, die Namen derjenigen Personen zu erfahren, mit denen er in einer Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden sei, sei vor dem Hintergrund der sich aus der Wohnungseigentümerstellung ergebenden Rechte und Pflichten nachvollziehbar und gerechtfertigt.
  4. Anderes gelte jedoch für die Eintragungen in Abteilung II und III des Grundbuchs. Etwaige Belastungen des fremden Wohnungseigentums seien nicht ohne Weiteres geeignet, die Interessensphäre der Beteiligten zu tangieren. Auch soweit daraus auf die wirtschaftliche Situation des Eigentümers geschlossen werden könne, hätten die übrigen Eigentümer jedenfalls solange keinen Anspruch auf entsprechende Information, wie sich nicht sonstige Anhaltspunkte für eine Gefährdung ihrer Interessen ergeben.
  5. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von K zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 15.10.1986, 3 Wx 340/86, NJW 1987 S. 1651, richtig sei, wonach allein in der Verbindung der Gemeinschafter durch die Verpflichtungen zur Zahlung von Hausgeld und Sonderumlagen ein berechtigtes Interesse an der Sammlung von Informationen über den wirtschaftlichen Status anderer Wohnungseigentümer liege. Denn eine solche Bewertung des Interesses sei durch § 10 Abs. 7 WEG überholt, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nun Trägerin des Verwaltungsvermögens sei und gemeinschaftsbezogene Ansprüche nur noch sie, nicht aber der einzelne Wohnungseigentümer verfolgen könne.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Die 1. Abteilung eines Wohnungsgrundbuchs nennt den oder die Eigentümer, ggf. unter Angabe der jeweiligen Anteile, des Gemeinschafts- oder Gesellschaftsverhältnisses (beispielsweise "in Erbengemeinschaft" oder "als Gesellschaft bürgerlichen Rechts"), und die Grundlagen der Eintragung. Die 2. Abteilung verzeichnet alle Lasten und Beschränkungen, die nicht in der 3. Abteilung einzutragen sind: vor allem Grunddienstbarkeiten, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten, Auflassungsvormerkungen und Verfügungsbeschränkungen. Die 3. Abteilung enthält die Grundpfandrechte.
  2. Das Kammergericht grenzt sich vor allem vom OLG Düsseldorf ab. Dieses war "weitherziger" und hatte entschieden, dass unter Wohnungseigentümern derart intensive Beziehungen bestünden, dass ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das die anderen Miteigentümer betreffende Grundbuch nicht von der Hand gewiesen werden könne. Nach dem OLG Düsseldorf konnte also auch in die anderen Abteilungen als die 1. Abteilung Einsicht genommen werden. Für diese Sichtweise gibt es immer noch gute Gründe (Briesemeister, GE 2014, S. 719). Unklar ist auch, was der I. Zivilsenat des Kammergerichts wohl mit "derzeit" meint. Wann etwas anderes gilt, wird jedenfalls nicht herausgearbeitet.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Dem Verwalter steht nach herrschender Meinung ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in die Wohnungsgrundbücher zu. Ob dies ein Recht, eine Obliegenheit oder eine Pflicht ist – zum Beispiel um die Namen der Wohnungseigentümer zu ermitteln – wird dabei unterschiedlich betrachtet.

 

Link zur Entscheidung

KG, Beschluss v. 3.4.201...

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