Welches Recht gilt?

Überlässt eine Miteigentümergemeinschaft eine im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Wohnung gegen Zahlung eines Entgelts einem Mitglied zur alleinigen Nutzung, stellt sich die Frage, wie die Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft ausgestaltet sind: Richten sie sich nach Gemeinschaftsrecht oder nach Mietrecht?

 
Praxis-Beispiel

Wirksamer Mietvertrag

Die Kläger begehren die Feststellung des Bestehens eines Mietvertrags. Die Klägerin ist Mitglied einer Miteigentümergemeinschaft über ein seit 100 Jahren in Familienbesitz befindliches Anwesen. Im Jahr 2009 schließen sie und ihr Ehemann mit den übrigen seinerzeit eingetragenen Miteigentümern einen Formularmietvertrag ("Wohnungs-Einheitsmietvertrag") über bestimmte Wohnräume des Anwesens. Als es infolge Todesfalls zu einem Wechsel in der personellen Zusammensetzung der Gemeinschaft kommt, vertritt ein neues Mitglied, eine GbR, die Auffassung, der Mietvertrag sei unwirksam, weil er entgegen § 1010 Abs. 1 BGB nicht als Nutzungsregelung im Grundbuch eingetragen ist. Die Feststellungsklage gegen das neue Mitglied hatte Erfolg.

Der BGH[1] stellte fest, dass trotz Auftretens der Klägerin auf beiden Seiten des Vertrags ein Wohnraummietvertrag wirksam zustande gekommen ist. Überlässt eine Miteigentümergemeinschaft gemeinschaftliche Räume gegen Entgelt einem ihrer Mitglieder allein, liegt regelmäßig – und so auch hier – ein Mietvertrag vor, ohne dass es auf die Entgelthöhe entscheidend ankäme. Hinzu kommt, dass die eingeräumte Nutzungsmöglichkeit über den mit dem eigenen Miteigentumsanteil korrespondierenden Nutzungsrechtsumfang hinausgeht. Selbst wenn im Einzelfall zusätzlich die Regelungen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sein sollten (§ 745 BGB), ändert sich daran nichts. Dies folge auch aus dem Schutzzweck des § 566 BGB.

Fazit: Das Mitglied einer Miteigentümergemeinschaft kann mit dieser einen Mietvertrag abschließen. Auf das Bestehen von Nutzungsvereinbarungen und deren Eintragung im Grundbuch kommt es insoweit nicht an. Das in die Gemeinschaft eintretende neue Mitglied muss daher die mit dieser abgeschlossenen (Miet-)Verträge gegen sich gelten lassen.

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