Rz. 2

Abs. 2 regelt die ausschließliche (§ 802 ZPO) sachliche und örtliche Zuständigkeit. Für eine Klage auf Leistung des Interesses ist das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zuständig, bei dem die vorangegangene Klage über die Verpflichtung zur Vornahme einer vertretbaren oder unvertretbaren Handlung rechtshängig war, also das Gericht, das zuvor mit der Individualleistungsklage befasst war. Es ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur anerkannt, dass das Gesetz als "Prozessgericht" sowohl hinsichtlich der sachlichen als auch der örtlichen Zuständigkeit das Gericht bestimmt, das den Herausgabetitel geschaffen hat (BGH, NJW 1997, 2245; LAG Köln, AA 2014, 162; Zöller/Seibel, § 893 Rn. 2 m. w. N.; MünchKomm/ZPO-Gruber, § 893 Rn. 6; Prütting/Gehrlein/Olzen, § 893 Rn. 2). Denn das Gesetz begründet gemäß §§ 893 Abs. 2, 802 ZPO einen ausschließlichen Gerichtsstand. Es handelt sich dabei um lex specialis für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, durch die die §§ 12 ff. ZPO vollständig verdrängt werden. Insofern kann auch das Familiengericht in Betracht kommen, vor allem bei einer Klage auf Leistung des Interesses bei der Nichterfüllung titulierter Ansprüche auf Herausgabe von Hausratsgegenständen (MünchKomm/ZPO-Gruber § 893 Rn. 6; OLG Schleswig-Holstein, FamRZ 2003, 1199; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1168; LG München, FamRZ 1992, 335; Musielak/Voit/Lackmann § 893 Rn. 2; aA OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 406; OLG Koblenz, FamRZ 1982, 507). Dies gilt auch für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (BGH, NJW 1997, 2245 = IStR 1997, 319 = WM 1997, 1310 = MDR 1997, 683; a. A. KG Berlin, IPRax 1997, 340; Abgrenzung BGH BGHZ 44, 46 = JZ 1966, 237). Bei einem Verstoß gelten die §§  11 ZPO (RGZ 66, 17, 18), 513 Abs. 2, 545 Abs. 2 ZPO (MünchKomm/ZPO-Gruber § 893 Rn. 6). Ist der Ausgangstitel über die Vornahme einer vertretbaren oder unvertretbaren Handlung also vom FamG ergangen, so ist dieses auch für die Klage auf das Interesse in Form von Schadensersatz zuständig, obwohl es sich regelmäßig nicht um eine Familiensache handelt (OLG Schleswig, NJW-RR 2003, 1013; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1168).

Sinn und Zweck der Regelung, nämlich die Sachkunde desjenigen Gerichts, dass den Herausgabetitel geschaffen hat, sich auch im Vollstreckungsverfahren nutzbar zu machen, sprechen hierfür (OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 431; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1168; OLG Schleswig, NJW-RR 2003, 1013; LG München II, FamRZ 1992, 335; a. A. OLG Koblenz, FamRZ 1982, 507; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 406 unter Hinweis auf BGH, NJW 1980, 192 = FamRZ 1980, 45 = MDR 1980, 216). In gleicher Weise bleibt unbeachtlich, ob der Streitwert der Klage auf das Interesse den Betrag von 5.000 EUR übersteigt, sodass nach den §§ 23, 71 GVG die sachliche Zuständigkeit des LG begründet wäre. Auch in diesem Fall bleibt das AG nach Abs. 2 sachlich zuständig, wenn es den Titel über die Vornahme der vertretbaren oder unvertretbaren Handlung geschaffen hat (Goebel/Goebel, § 11 Rn. 152).

 

Rz. 3

§ 893 ZPO begründet keinen Vorrang der Zwangsvollstreckung, sodass der Gläubiger im entsprechenden Klageverfahren nicht darlegen muss, ob und inwieweit er überhaupt die Zwangsvollstreckung betrieben hat, wenn dies nicht Voraussetzung und Teil des materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs ist (Goebel/Goebel, § 11 Rn. 150). Er kann den Schadensersatzanspruch aber auch im Wege der Aufrechnung oder Einrede geltend machen (Zöller/Seibel, § 893 Rn. 3). Zum Ausschluss der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO und Übergang zur Schadensersatzklage nach § 893 ZPO vgl. OLG Stuttgart, OLGZ 1990, 354.

Das Rechtsschutzbedürfnis einer Klage ist erst bei einer erwiesenen Unmöglichkeit im Vollstreckungsverfahren gegeben. Insofern ist daher im Zwangsvollstreckungsverfahren zu prüfen, ob die Erfüllung der titulierten Verpflichtung dem Schuldner noch möglich ist (OLG Hamm, InVo 1998, 54). Wenn der Schuldner daher geltend macht, er sei zur Erfüllung nicht imstande, so hat er sich nicht nur pauschal, sondern substantiiert unter Benennung der Beweismittel zu erklären, sodass der Gläubiger dieses Vorbringen überprüfen kann. Beachtlich hingegen ist der behauptete Erfüllungseinwand, wenn die Erfüllung offenkundig, zugestanden, unstreitig oder nachgewiesen ist. Daher ist ein Urteil, das den Beklagten verpflichtet, einen Lebensversicherungsvertrag in bestimmter Höhe abzuschließen und den Kläger als Bezugsberechtigten einzusetzen, nicht vollstreckungsfähig. Dem Kläger bleibt nur ein Schadensersatzanspruch (OLG Bamberg, MDR 1983, 499).

Da im Zwangsvollstreckungsverfahren eine Beweisaufnahme über die dem Erfüllungseinwand zugrunde liegenden Tatsachen nicht stattfindet, ist bei Streit der Erfüllungseinwand i. R.d. Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO geltend zu machen (OLG Köln, ProzRB 2004, 93).

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