Rz. 19

Das Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (z. B. Leistung einer Sicherheit; BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 42 = NJW 2008, 3220; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1990, 124) ist von Amts wegen zu prüfen. Insofern kann aus einem Unterlassungsurteil, das gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, bis zur Erbringung der Sicherheit durch den Gläubiger nicht vollstreckt werden. Verstöße gegen das in dem Urteil ausgesprochene Unterlassungsgebot können daher dem Schuldner vor Leistung und formellem Nachweis der Sicherheit nicht als Zuwiderhandlungen i. S. v. Abs. 1 Satz 1 angelastet werden (BGH, NJW 1996, 397 = WM 1996, 796; OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.3.2010, 2 U 142/08 – Juris; OLG Frankfurt, OLG Report Frankfurt 2003, 176).

 

Rz. 20

Das Erfordernis eines noch vollstreckbar ausgefertigten Titels ist ebenso erforderlich (BGH, NJW 2004, 506 = BGHZ 156, 335 = WRP 2004, 235 = BGHReport 2004, 339 = WM 2004, 341 = GRUR 2004, 264 = InVo 2004, 152). Dies stellt sicher, dass staatliche Zwangsmaßnahmen nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ergehen, die rechtskräftig geworden ist oder deren Rechtmäßigkeit jedenfalls noch in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann. Ohne Erfüllung dieser Voraussetzung wäre die Vollstreckung durch Anwendung staatlicher Zwangsmittel rechtsstaatswidrig (OLG Hamm, WRP 1990, 423 m. Anm. Münzberg). Ebenso ist Titelzustellung notwendig (zur Zustellung, wenn die Ordnungsmittelandrohung durch gesonderten Beschluss ergeht vgl. Rz. 14). Der Titel muss auf ein Unterlassen (Rz. 8) oder Dulden (Rz. 9) gegen eine bestimmte nat. oder jur. Person gerichtet sein (BVerfG, NJW 1967, 195 = BVerfGE 20, 323; BGH NJW 1992, 749 = GRUR 1991, 929, 931 = WRP 1993, 467). Um den vollstreckungsfähigen Inhalt eines Unterlassungsgebots festzustellen, muss der Kern der Verletzungshandlung durch Auslegung von Tenor und Entscheidungsgründen ermittelt werden (zur sog. Kerntheorie vgl. auch Rz. 11). Die Prüfung, welche Maßnahme der Schuldner zu unterlassen hat bzw. zu welcher Maßnahme er verpflichtet sein soll, darf nicht in der Vollstreckungsverfahren verlagert werden (LAG Köln, AE 2008, 240; BAG ZIP 2004, 85; LArbG Köln, 16.1.1999 – 6 Ta 168/96 – juris). Insb. wenn es um die Untersagung einer Maßnahme ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats geht, bedarf es der genauen Bezeichnung derjenigen betrieblichen Fallgestaltungen, für die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gelten soll (LAG Köln, AE 2008, 240; BAG, ZIP 1995, 146 =  BB 1994, 2273; BAG, DB 2001, 2558; LArbG Hamm, FA 2004, 151 m. w. N.). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, fehlt es am dem notwendigen Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, so dass die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ausscheidet.

 

Rz. 21

Als Titel kommen in Betracht: Urteil, Beschluss, nicht notarielle Urkunde bzw. Prozessvergleiche (vgl. auch Rz. 14a). Bei einer einstweiligen Verfügung, die durch verkündetes Urteil erlassen worden ist, genügt bei Vorliegen der übrigen Vollziehungsvoraussetzungen die Zustellung des Urteils von Amts wegen (§ 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Zustellung im Parteibetrieb ist nicht erforderlich (BGH, MDR 1989, 988 = WM 1989, 927; a. A. OLG Frankfurt am Main, OLGZ 1982, 346; OLG Düsseldorf, WRP 1985, 640). Wird eine Unterlassungsverfügung aufgehoben und damit der Vollstreckungstitel ex tunc beseitigt, weil seine Voraussetzungen von Anfang an nicht vorlagen, muss auch ein zwischenzeitlich bereits erlassener Ordnungsmittelbeschluss im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden. Wird der Vollstreckungstitel aber erst ab einem bestimmten Zeitpunkt aufgehoben (hier: ab der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung), muss ein zwischenzeitlich erlassener Ordnungsmittelbeschluss im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden, sofern die Verletzungshandlung nach dem Zeitpunkt erfolgt ist, in dem die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vollstreckungstitels eingetreten sind (KG, InVo 2004, 156). Die Frage, ob ein Vollstreckungstitel einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, kann der Schuldner mit der negativen Feststellungsklage klären lassen; er kann nicht auf Rechtsbehelfe i. R.d. Zwangsvollstreckung verwiesen werden (OLG Karlsruhe, Rpfleger 2005, 95). So hat auch der BGH (NJW 1973, 803) ohne nähere Begründung dem Schuldner die negative Feststellungsklage eröffnet, der im Verfahren nach § 890 ZPO im Gegensatz zum Prozessgericht des ersten Rechtszuges als Vollstreckungsgericht die Auffassung vertreten wollte, eine bestimmte Handlung sei nicht als ein Verstoß gegen ein Verbotsurteil zu werten. Eine Auslegung des Titels ist nur in den Fällen möglich, in denen das Prozessgericht, das als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel, den es selbst erlassen hat, entscheidet, indem es sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren mit heranzieht. Damit können auch Umstände berücksichtigt werden, die außerhalb des T...

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