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Ein Verstoß gegen die Unterlassungs- oder Duldungspflicht braucht nicht zu einem Schaden des anderen Teils geführt zu haben; erforderlich ist aber, dass durch die Zuwiderhandlung ein Schaden der Art, vor der der Versprechensempfänger geschützt werden soll, entstehen könnte (OLG Köln, JurBüro 1993, 627; LG Köln ZVI 2009, 269 m. w. N.). Maßgebend ist hierbei zunächst der Vollstreckungstitel, der hinreichend bestimmt sein muss. Insofern liegt bei einem Duldungstitel ein Verstoß bereits dann vor, wenn der Schuldner die Handlungen Dritter, die er zu dulden hat, verhindert. Um den vollstreckungsfähigen Inhalt eines Unterlassungstitels festzustellen, muss der Kern der Verletzungshandlung durch Auslegung von Tenor und Entscheidungsgründen ermittelt werden (sog. Kerntheorie; vgl. auch LG Köln ZVI 2009, 269). Hiernach beschränkt sich die Verletzung nicht nur auf die Untersagung solcher Handlungen, die mit der Verletzungsform in allen Einzelheiten identisch sind. Vielmehr werden vom Verbotsumfang auch Änderungen umfasst, die den Kern der Verbotsform unberührt lassen (vgl. BGH, WRP 2014, 719 = WM 2014, 1251; BGH,  GRUR 2013, 1235 =  Magazindienst 2014, 7 = WRP 2014, 75; BGH, WRP 1994, 822 = GRUR 1994, 844 = LM BGB § 12 Nr 63 (1/1995) = MDR 1995, 280: Rotes Kreuz; BGH, WRP 1989, 572 = BGHZ 107, 136 = ZIP 1989, 877 = DB 1989, 1621 = Pharma Recht 1989, 147 = MDR 1989, 792 = NJW 1989, 2327- Bioäquivalenz-Werbung; OLG Frankfurt, Beschluss v. 6.6.2011, 14 W 36/11- Juris; Zöller/Stöber, § 890, Rn. 3 a mit zahlreichen Nachweisen). Grund hierfür ist, dass es sonst möglich wäre, den Titel zu unterlaufen (OLG Hamburg, MMR 2011, 492). Es ist daher unschädlich, wenn zusätzlich zu der konkreten Verletzungsform solche Verallgemeinerungen in den Tenor aufgenommen werden, die das Charakteristische oder den Kern der Verletzungshandlung in geeigneter Weise zum Ausdruck bringen (BGH, GRUR 2010, 855 = WRP 2010, 1035 – Folienrollos; OLG München, Magazindienst 2011, 642; OLG Düsseldorf  WuM 2012, 214 – Verletzung des Kernbereichs einer Unterlassungsverpflichtung durch wiederholte Verwendung einer als unwirksam festgestellten Schönheitsreparaturklausel). Derartige Zusätze erweitern nicht die durch das Verbot der konkreten Verletzungsform ohnehin bestehende Unterlassungsverpflichtung; in der Zusammenschau mit der konkreten Verletzungsform erleichtern sie dem Unterlassungsschuldner vielmehr die Ermittlung des Verbotsumfangs im Hinblick auf die Lehre vom Kernverstoß. Umgekehrt hat der BGH zum Verstoß gegen das Transparenzgebot schon unter Geltung des AGBG entschieden, dass in einem Folgeverfahren nach § 890 ZPO der Verwender darlegen und beweisen kann, dass Sinn und Ziel der Klausel im Einzelfall bei Vertragsschluss für den Durchschnittskunden aufgrund von Zusatzinformationen hinreichend durchschaubar waren; dann ist eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot zu verneinen (BGH, BGHZ 116, 1 = WM 1991, 1944 = ZIP 1991, 1474 = NJW 1992, 179; vgl. auch KG, 23.03.2009 – 23 W 71/08 – juris; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 182). Im Folgeverfahren nach § 890 ZPO müssen Inhalt und Wortlaut der untersagten Klausel berücksichtigt werden; bei der Bestimmung des Klauselinhalts sind ergänzende Klauseln zu beachten.

Für eine Straffestsetzung ist wg. des repressiven strafähnlichen Sanktionscharakters (vgl. BGH, GRUR 1994, 146 = WRP 1994, 37 = LM BGB § 339 Nr 38 (3/1994) = WiB 1994, 159 = MDR 1994, 788; BVerfGE 58, 159 = WM 1981, 951 = ZIP 1981, 1031, InVo 2001, 382) ein Verschulden des Schuldners (Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit) erforderlich (BVerfG, BVerfGE 58, 159 = WM 1981, 951 = ZIP 1981, 1031). Juristische Personen müssen sich die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen zurechnen lassen; außerdem kommt ein schuldhafter Organisationsmangel in Betracht (OLG Saarbrücken, Beschluss v. 23.7.2014, 5 W 49/14 – Juris; Zöller/Stöber, § 890 Rn. 5). Eine Haftung des Erfüllungsgehilfen scheidet aus (OLG Köln, NZG 2009, 477 m. w. N.). Das Verschulden kann auch in einem Organisations-, Auswahl- oder auch Überwachungsfehler liegen. Der Schuldner muss alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen durch Angestellte oder Beauftragte zu verhindern (OLG Frankfurt am Main, OLGR Frankfurt 2009, 78). Insofern muss ein Arbeitgeber seine Aufgaben so organisieren, dass er der Unterlassungsverfügung genügen kann. Er muss auf die Mitarbeiter zur Einhaltung der Unterlassungsverfügung einwirken und sie entsprechend überwachen. Die Belehrung der Mitarbeiter hat grds. schriftlich zu erfolgen und muss auf die im Fall des Verstoßes aus ihren Arbeitsverhältnissen drohenden Nachteile ebenso wie auf die dem Unternehmen angedrohten Sanktionen in der Zwangsvollstreckung hinweisen (LAG Hamm, 3.7.2008, 10 Ta 355/08 – Juris; OLG Nürnberg, NJW-RR 1999, 723). Ebenso hat der Schuldner dann auch den Zugang zu dulden, wenn es um den Ausbau eines Gaszählers i. R.d. Vollstreckung einer einstweiligen Verfügung geht (AG Montabaur, DGVZ 2008, 121). Der Erlass eines Durchsuchungs...

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