Rz. 2

Die Vorschrift ist anwendbar, wenn der Schuldner als natürliche oder juristische Person (BVerfG, NJW 1967, 195 = BVerfGE 20, 323 = MDR 1967, 187 = JZ 1967, 171 = Rpfleger 1967, 139) zu einer Unterlassungs- oder Duldungshandlung verpflichtet wurde. Als Titel kommen sowohl Urteile als auch eidesstattliche Versicherungen, v.a. im Urheber- und Wettbewerbsrecht, vollstreckbare Beschlüsse, Prozessvergleiche, Anwalts- und Schiedsvergleiche, Schiedssprüche und auch notarielle Urkunden, welche nach dem 01.01.1999 errichtet wurden, in Betracht. Bei einem Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung im Gewaltschutzverfahren kommt nur Ordnungsgeld in Frage (OLG Brandenburg, 16.10.2008 – 10 WF 165/08 – juris; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2006, 1441). Auf § 1 GewSchG gestützte Unterlassungstitel sind gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ebenfalls nach der Norm zu vollstrecken. Dabei darf Ordnungshaft, jedoch nicht Zwangshaft angeordnet werden (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 16.3.2010, 6 WF 55/10 – juris; OLG Köln, NZFam 2014, 1002). Eine Festsetzung des Ordnungsmittels verlangt zudem, dass der Verpflichtete schuldhaft gegen die ihm auferlegten Verpflichtungen verstoßen hat (KG Berlin, Beschluss v. 27.2.2012, 19 WF 254/11 – juris; Zöller/Seibel, § 890 Rn. 5 m. w. N.). Der Verpflichtete trägt die Feststellungslast für seine Schuldunfähigkeit (LG Mönchengladbach MDR 2007, 357), da diese eine Ausnahme von dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Handelns darstellt. Es entspricht einem allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der sich auf eine Schuldunfähigkeit beruft, die Beweislast dafür trägt (BGHZ 102, 227 m. w. N. = MDR 1988, 297 = JZ 1988, 314 = NJW 1988, 822; BGH, NJW 1990, 2387 = NZV 1990, 386 ; BGH, NJW 1987, 121 = DAR 1986, 353).

 

Rz. 3

Die Regelung wird durch § 89 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs als lex specialis ausgeschlossen (OLG Celle, ZKJ 2011, 393).

 

Rz. 4

Die Norm ist auch im Insolvenzverfahren anwendbar. Gegen den Insolvenzverwalter kann allerdings nur dann ein Ordnungsmittel festgesetzt werden, wenn der Unterlassungstitel vor der Zuwiderhandlung auf ihn als Rechtsnachfolger gem. § 727 ZPO umgeschrieben worden ist (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2009, 784). Eine solche Rechtsnachfolge kommt zwar nicht bei höchstpersönlichen Ansprüchen in Betracht, die den Schuldner betreffen und die der Insolvenzverwalter schon von ihrer Eigenart her nicht erfüllen kann. Anders verhält es sich aber bei der Verpflichtung des Schuldners zu nicht vertretbaren Handlungen, die die Verwaltung der Masse betreffen und bei denen der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO an die Stelle des Schuldners tritt (Zöller/Seibel, § 727, Rn. 18 m. w. N.).

 

Rz. 5

Der Zwangsvollstreckung steht auch nicht Art. 34 Nr. 2 EuGVVO entgegen, soweit die Vollstreckung aus einem inländischen Titel betrieben wird. Ob das festzusetzende Ordnungsmittel ggf. im Ausland (hier: Niederlanden) vollstreckt werden kann, ist nicht zu prüfen (LG Berlin, Magazindienst 2008, 822).

Anzuwenden ist die Norm auch im Bereich des EuVTVO (BGH, WM 2010, 894 = NJW 2010, 1883). Die Vollstreckung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gem. § 890 ZPO ergangenen Beschlusses stellt eine Zivil- und Handelssache i. S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO dar.

 

Rz. 6

Nicht anzuwenden ist die Regelung bei der Zwangsvollstreckung aus einem Unterlassungstitel, der auf einer für gemeinschaftsrechtswidrig erklärten Norm des nationalen Rechts beruht, wenn die Verhängung von Zwangsgeldern auch strafrechtliche Elemente enthält. Dies ist unionsrechtlich verboten, wenn der zugrunde liegende Titel seinerseits gegen Unionsrecht verstößt. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, das sich auf europarechtswidrige nationale Regelungen stützt, würde dazu führen, dass die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt würde. Dies gilt unabhängig davon, dass die Vorschriften der ZPO für sich genommen nicht gegen Unionsrecht verstoßen (LG Wiesbaden, ZfWG 2011, 146).

 

Rz. 7

Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Hinblick auf die Anwendbarkeit zu §§ 887, 888 ZPO insb. bei Vollstreckung eines Titels über Verhinderung von Geruchs- und Lärmimmissionen vom Nachbargrundstück. Maßgebend für die Statthaftigkeit des von einem Gläubiger gewählten Vollstreckungsantrags nach §§ 887, 888 ZPO einerseits, § 890 ZPO andererseits ist nicht die positive oder negative Formulierung des Urteilsausspruchs, sondern, ob – bei verständiger Auslegung des Titels – in der Sache ein Gebot zum Unterlassen oder ein Gebot zum Handeln ausgesprochen worden ist (OLG Saarbrücken, InVo 2001, 182; a. A. OLG Köln, NJW-RR 1990, 1087; OLG München, OLGZ 82, 101). Ein Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld nach § 888 ZPO kann insoweit dann in einen Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 ZPO umgedeutet werden, wenn es dem erkennbaren Willen des Vollstreckungsgläubiger entspricht (BayObLG, InVo ...

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