Rz. 3

Die Norm findet nur Anwendung, wenn der Schuldner zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung verpflichtet ist (vgl. Rz. 2). Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift setzt voraus, dass der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann (OLG Bremen, Beschluss v. 28.5.2014 – 4 UF 46/14 –, juris), die somit ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1769). Der Weg über die Vorschrift ist nicht bereits dann eröffnet, wenn der zu vollstreckende Titel als Handlung nur die Herbeiführung eines Erfolges beschreibt. Für diesen Fall bleibt dem Schuldner nur bis zur Vollstreckung die Wahl des Mittels (Stein/Jonas/Brehm, § 887 Rn. 5, 39; OLG Bremen, Beschluss v. 28.5.2014, 4 UF 46/14 – Juris; a. A. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, 63 bei Beseitigung von Feuchtigkeit).

Eine als vertretbar anzusehende Handlung kann im Einzelfall aber auch unvertretbar sein, so z. B. kann ein Gläubiger kann aus einem Vollstreckungstitel, der den Schuldner zur Beseitigung einer baulichen Anlage verpflichtet, nicht verlangen, dass der Schuldner die Namen und Anschriften der Personen bekannt gibt, an die er das zu beseitigende Gebäude vermietet hat. Dementsprechend kann gegen den Schuldner, der sich weigert, die vom Gläubiger nachgefragten Namen und Adressen mitzuteilen, kein Zwangsmittel nach § 888 Abs. 1 ZPO festgesetzt werden (BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 87 = MDR 2009, 468).

Die Regelung gilt auch in der Verwaltungsvollstreckung (§ 167 VwGO; vgl. VG Würzburg, Beschluss v. 6.6.2012, W 4 V 12.247 – Juris), sowie in Ehesachen und Familienstreitsachen (vgl. §§ 120 Abs. 1, 112, 121 FamFG).

 

Rz. 4

Die Vorschrift ist unanwendbar bei einem titulierten Anspruch:

  • auf Zahlung (Vollstreckung erfolgt nach §§ 803ff. ZPO),
  • auf Herausgabe oder Leistung von Sachen (Vollstreckung erfolgt nach §§ 883 bis 886 ZPO),
  • wg. einer vertretbaren Handlung (Vollstreckung erfolgt nach § 887 ZPO),
  • auf Duldung oder Unterlassung (Vollstreckung erfolgt nach § 890 ZPO),
  • auf Abgabe einer Willenserklärung (Vollstreckung erfolgt nach § 894 ZPO). Genügt eine Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung nicht dem Bestimmtheitserfordernis, kann dieser Mangel ebenfalls nicht nachträglich im Verfahren nach § 888 ZPO geheilt werden (BGH, NJW 2011, 3161; BGH, NJW 1959, 1371; OLG Koblenz, OLGZ 1976, 380, 381; a. A. OLG Karlsruhe, 8. Oktober 2004, 19 W 61/04, Rpfleger 2005, 95; Musielak/Lackmann, § 894 Rn. 6; Prütting/Gehrlein/Olzen, § 894 Rn. 6; vgl. auch § 894 Rn. 6; Sutschet, ZZP 119, 279, 283 f.),
  • auf Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegner Erbringung einer nicht vertretbaren Leistung verpflichtet wird. Hier genügt die Zustellung der einstweiligen Verfügung, wenn der Antragsgegner leistungsbereit ist (OLG Hamburg, GWR 2011, 417) auf Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung gem. § 510b ZPO (§ 888a ZPO),
  • Umgangsregelung; ein solcher Anspruch ist ausschließlich nach § 33 FGG zu vollstrecken (OLG Sachsen-Anhalt Beschluss v. 8.6.2006, 14 WF 101/06 – Juris)
  • bei Verurteilung des Schuldners, der Zahlung eines bestimmten Betrages aus dem ungeteilten Nachlass zuzustimmen, wenn keine ausreichend bestimmte Willenserklärung nach § 894 ZPO fingiert werden kann (OLG Saarbrücken, Beschluss v. 28.8. 2014, 5 W 56/14 – Juris),
  • wenn der Schuldner nach dem Titel zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag verurteilt wurde (Abs. 3). Entsprechend der Norm kann die Vollstreckung ebenso ausgeschlossen sein, wenn die Durchsetzung des Titels mit den Zwangsmitteln des Abs. 1 einen Verstoß gegen Grundrechte des Schuldners darstellen würde (BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 5). Dies gilt insbes. bei Verpflichtung zur Teilnahme an religiösen Handlungen (OLG Köln, MDR 1973, 768) oder bei Verpflichtung zur einseitigen oder zweiseitigen Erbeinsetzung eines Dritten (BVerfGE 67, 341; OLG Frankfurt, Rpfleger 1980, 117). Dem auf der Grundlage eines die Zwangsmittel anordnenden (rechtskräftigen) Beschlusses gestellten Antrag auf Erlass eines Haftbefehls fehlt in einem solchen Fall das Rechtsschutzbedürfnis. Sind die Grundrechte jedoch bereits im Erkenntnisverfahren bei der Frage, ob der Kläger einen entsprechenden Anspruch hat, zu berücksichtigen, kann nur ausnahmsweise in der Zwangsvollstreckung von einer fehlenden Vollstreckbarkeit ausgegangen werden. Dies ist insbes. dann der Fall, wenn Anspruchsgrundlage eine Generalklausel war. Auch wenn durch Versäumnisurteil entschieden wurde, kann der Gläubiger sich darauf berufen, dass eine Prüfung der Rechte des Schuldners i. R. d. Schlüssigkeitsprüfung nach § 331 ZPO erfolgt sein muss, da ansonsten das Urteil nicht hätte ergehen dürfen.
 

Rz. 5

Wird ein Schuldner mit Sitz im Inland durch ein ausländisches Urteil zur Vornahme vertretbarer und nicht vertretbarer Handlungen verurteilt und wird dieses Urteil in Deutschland für vollstreckbar erklärt, steht dem Gläubiger ein Wahlrecht zu, ob er im Urteilsstaat die möglichen Zwangsmaßnahmen nac...

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