1 Allgemeines

 

Rz. 1

Das Vermögen des Schuldners als seine Haftungsgrundlage und zugleich Vollstreckungsobjekt besteht nicht nur aus beweglichen Sachen (Pfändung nach den §§ 808 ff. ZPO), Geldforderungen (Pfändung nach den §§ 829 ff. ZPO), Herausgabeansprüchen (Pfändung nach den §§ 846 ff. ZPO) und Grundstücken (Anwendung des ZVG), sondern auch aus einer Fülle von anderen "Vermögenswerten", deren Zuordnung bisweilen Schwierigkeiten bereitet. Hier setzt die Vorschrift an und regelt "die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind", indem sie die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in Forderungen (§§ 829 ff. ZPO) für entsprechend anwendbar erklärt (Abs. 1).

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Vorschrift erklärt die Regelungen über die Zwangsvollstreckung in Forderungen gem. §§ 829 ff. ZPO für entsprechend anwendbar, soweit es sich um andere Vermögenswerte handelt. Insofern greift die Norm nicht bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen (§§ 808 ff. ZPO), bei der Pfändung von Geldforderungen (§§ 829 ff. ZPO), bei der Pfändung von Herausgabeansprüchen (§§ 846 ff. ZPO) sowie bei der Vollstreckung in Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte (§§ 864 ff. ZPO).

 

Rz. 3

Vermögensrecht i. S. d. Vorschrift sind pfändbare Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann (BGH, WM 2012, 514 m. w. N. = NJW-RR 2012, 434 = MDR 2012, 605 = WuB VI D § 857 ZPO 1.12 = FamRZ 2012, 973 = NZS 2012, 507 = JurBüro 2012, 326 = DGVZ 2012, 162; BGH Vollstreckung effektiv 2005, 178 = WM 2005, 1849 = MMR 2005, 685 =  NJW 2005, 3353 = BGHReport 2005, 1484 = MDR 2005, 1311 = Rpfleger 2005, 678 =  JurBüro 2006, 42 = KKZ 2007, 112 = EWiR 2005, 811; BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 44 = Rpfleger 2009, 90 = AUR 2009, 28 = NJW-RR 2009, 411 = KKZ 2010, 159 = MDR 2009, 106: Betriebsprämie aus der GAP-Agrarreform; die einem Milcherzeuger zustehenden Anlieferungs-Referenzmenge; BGH, Vollstreckung effektiv 2007, 92; a. A. LG Aurich, Rpfleger 1997, 268 f.; LG Memmingen, Rpfleger 1998, 120; vgl. auch Rz. 15 ff. "Einzelfälle").

 

Rz. 4

Nicht pfändbar sind daher Rechte, welche kein Vermögen darstellen. Hierzu zählen in erster Linie Persönlichkeitsrechte (Namensrecht, Recht auf informationelle Selbstbestimmung), Familienrechte, sowie akzessorische Gestaltungsrechte (BGH, NJW 1973, 1793 = MDR 1973, 1012 = WM 1973, 1270) wie z. B. eine Bürgschaft, eine Hypothek oder Pfandrecht an beweglichen Sachen. Letztere erwirbt der Gläubiger nur mit Pfändung und Überweisung des Hauptrechts (BGH, NJW 1985, 2640 = WM 1985, 1106 = DB 1985, 2242 = MDR 1986, 302 = JuS 1985, 991; BGH, ZIP 1985, 1141 = WM 1985, 1318 = BB 1985, 1938 = NJW 1985, 2822 = BauR 1985, 686 = MDR 1986, 137 = EWiR 1985, 757; LG Wiesbaden NJW-RR 1996, 59). Die Pfändbarkeit von nicht akzessorischen Gestaltungsrechten richtet sich hingegen nach dem Einzelfall. Unpfändbar ist etwa das Recht zur Zurücknahme hinterlegter Gegenstände (§ 377 Abs. 1 BGB). Dasselbe gilt für das Vorkaufsrecht nach § 473 BGB oder § 1094 Abs. 1 BGB, falls die Übertragbarkeit nicht besonders vereinbart ist (RGZ 148, 105). Für unpfändbar gehalten werden ferner das Recht auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe (BGH, NJW 2003, 1858 = FamRZ 2003, 858 = Vollstreckung effektiv 2007, 88 = Rpfleger 2003, 372 = WM 2003, 940), die Befugnis, eine günstigere Lohnsteuerklasse zu wählen (Stein/Jonas/Brehm, § 857 Rn. 9), das Mitpfänden Ansprüchen auf die Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften gem. § 109 SGB VI (BGH, Vollstreckung effektiv 2012, 79 = WM 2012, 514 = NJW-RR 2012, 434 = MDR 2012, 605 = WuB VI D § 857 ZPO 1.12 = FamRZ 2012, 973 = NZS 2012, 507 = JurBüro 2012, 326 = DGVZ 2012, 162; OLG Celle, JurBüro 1998, 156; LG Leipzig, Rpfleger 2005, 96; LG Siegen, JurBüro 1998, 158; LG Berlin, JurBüro 1998, 157; LG Mannheim, JurBüro 1998, 158; LG Bochum, JurBüro 1998, 160; AG Gelsenkirchen, JurBüro 1998, 603; AG Nienburg, JurBüro 1998, 158; a. A. LG Bochum, JurBüro 2009, 270; LG Dresden, JurBüro 2009, 45; AG Linz, JurBüro 2010, 215; AG Siegen, JurBüro 1998, 603; AG Singen, JurBüro 1998, 159; AG Sinsheim, JurBüro 1998, 159; AG JurBüro 1998, 160; AG Heidelberg, JurBüro 1998, 160; AG Diepholz, JurBüro 1998, 160; AG Verden, JurBüro 1997, 211.) und die Kompetenz zur Abtretung einer Forderung (MünchKomm/ZPO-Smid § 857 Rn. 10). Ebenso unpfändbar ist das Recht eine vorgezogene Altersrente (hier durch den Insolvenzverwalter) zu beantragen. Das Rentenantragsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das Bestandteil des konkreten Rechtsverhältnisses zwischen dem Mitglied des Versorgungswerks und der Versorgungseinrichtung ist. Nur das Mitglied i. S. v. § 6 SNÄV ist berechtigt, die vorgezogene Altersrente gemäß § 9 Abs. 7 SNÄV zu beantragen (VG Düsseldorf, NZI 2011, 460 = ZVI 2011, 386).

 

Rz. 5

Eine verbreitete Meinung im Schrifttum verneint bei einem Dispositionskredit die Pfändbarkeit des Abrufrechts, weil niemand dur...

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