Rz. 60

Der Nießbrauch ist ein umfassendes Nutzungsrecht an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache oder einem Recht. Derjenige, zu dessen Gunsten ein Nießbrauch bestellt wurde (= Nießbraucher) kann die Früchte, Nutzungen oder Gebrauchsvorteile aus der Sache ziehen. Hierunter fallen etwa Miet- oder Pachteinnahmen.

 

Rz. 61

Der Nießbrauch an einem Grundstück erstreckt sich darüber hinaus auf das Zubehör (§ 1031 BGB), also auf alle beweglichen Sachen, die wirtschaftlich in einem engen Zusammenhang mit dem Grundstück stehen. Hierunter fallen z. B. auf einem Baugrundstück abgestelltes Baumaterial (BGH, BGHZ 58, 309 = WM 1972, 659) oder Baugeräte (OLG Hamm, MDR 1985, 494), Einrichtungen einer Gastwirtschaft (OLG Celle, OLGZ 1980, 13) oder bei einem Gewerbebetrieb oder landwirtschaftlichen Betrieb dessen Inventar (§ 98 BGB).

 

Rz. 62

Beim Grundstücksnießbrauch muss zw. dem Nießbrauchbesteller (Eigentümer) und Nießbraucher (Schuldner) eine schuldrechtliche Einigung und GB-Eintragung erfolgen (§ 873 BGB). Der Nießbrauch stellt somit eine dingliche Belastung des Grundstücks dar. Die grundbuchrechtliche Eintragung wird in Abteilung II des Grundbuchblattes als Last oder Beschränkung vollzogen. Zuständig hierfür ist das Grundbuchamt, in dessen Bezirk sich das Grundstück befindet.

 

Rz. 63

Obwohl der Nießbrauch nach § 1059 Satz 1 BGB unveräußerlich und somit grds. unpfändbar ist (§ 851 Abs. 1 ZPO), kann die Ausübung des Rechts einem anderen kraft Gesetzes überlassen werden (§ 1059 Satz 2 BGB). Daher kann ein Zugriff im Rahmen einer Forderungspfändung nach Abs. 3, § 829 ZPO erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn das Recht, die Ausübung des Nießbrauchs einem anderen zu überlassen, mit dinglicher Wirkung vertraglich ausgeschlossen wurde (BGH, Rpfleger 1974, 186 = BGHZ 62, 93 = NJW 1974, 701; BGHZ 95, 99 = ZIP 1985, 1084 = WM 1985, 1234 = DB 1985, 2241 = MDR 1985, 919 = NJW 1985, 2827 = EWiR 1985, 719 = Rpfleger 1985, 373; RGZ 142, 373; BGH, BGHZ 56, 228 = NJW 1971, 1750 = MDR 1971, 743 = BB 1971, 889 = WM 1971, 933).

 

Rz. 64

Zu pfänden ist das sog. Stammrecht. Dies ist der Nießbrauch selbst, nicht seine Ausübung (BGH, InVo 2006, 321 = NZM 2006, 273 =  NJW 2006, 1124 = FamRZ 2006, 550 = BGHReport 2006, 609 =  NotBZ 2006, 136 =  WM 2006, 913 = Rpfleger 2006, 331; BGH, BGHZ 62, 133 = WM 1974, 324; BayObLG, ZIP 1997, 1852). Die Pfändung wird mit Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Eigentümer der mit dem Nießbrauch beweglichen Sache bzw. an den Grundstückseigentümer wirksam. Auf eine Eintragung ins Grundbuch kommt es letzterenfalls nicht an. Sie ist jedoch zu empfehlen (LG Bonn, Rpfleger 1979, 349), ansonsten besteht die Gefahr, dass das Pfandrecht vereitelt oder dadurch beeinträchtigt wird, dass der Schuldner auf sein Nießbrauchrecht verzichtet bzw. dieses löschen lässt oder das Nießbrauchausübungsrecht einem Dritten überlässt. Die Eintragung der Pfändung hat u. a. zur Folge, dass zu einer eventuellen Löschung des Nießbrauchs außer der Bewilligung des Schuldners auch die des Gläubigers notwendig ist (BGH, BGHZ 62, 133 = WM 1974, 324).

 

Rz. 65

Neben einer Vollstreckung in den Nießbrauch an einem Grundstück unterliegen auch die einzelnen Nutzungen der Pfändung. Dies ist vor allem für Gläubiger bedeutsam, die kein Pfandrecht in Bezug auf das Nießbrauchrecht haben. Diese sind nachrangig. Der Gläubiger, der bereits den Nießbrauch gepfändet hat, kann jedoch in diese einzelnen Leistungen nicht mehr vollstrecken (Stöber, Rn. 1717).

 

Rz. 66

Um zu erfahren, welche Nutzungen vom Nießbrauch erfasst werden und welche vertraglichen Vereinbarungen zw. Schuldner und Drittschuldner getroffenen wurden, sollten Gläubiger von Ihrem GB-Einsichtsrecht Gebrauch machen und sich einen Einblick in die Bewilligungsurkunde verschaffen, die sich in der Grundakte befindet.

 

Rz. 67

Wegen seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zwecke ausüben. Dies schließt eine Überweisung des Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach Abs. 1, § 835 Abs. 1 ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch Versteigerung oder freien Verkauf (BGH, InVo 2006, 321 = NZM 2006, 273 =  NJW 2006, 1124 = FamRZ 2006, 550 = BGHReport 2006, 609 =  NotBZ 2006, 136 =  WM 2006, 913 = Rpfleger 2006, 331).

Da eine Überweisung nur zum Zwecke der Ausübung erfolgen kann, ist dies für Gläubiger vor allem bei Miet- bzw. Pachtobjekten interessant. Denn aufgrund der Ausübungsbefugnis stehen dem Gläubiger die Miet- bzw. Pachteinnahmen zu. Der Schuldner muss den Zugriff auf die aus dem Nießbrauchrecht fließenden Ansprüche dulden.

 

Rz. 68

Darüber hinaus hat der Gläubiger das Recht, alle zur Gewinnung der Sachnutzung tatsächliche und rechtliche Handlungen vorzunehmen. Er darf also selbst das belastete Grundstück vermieten oder verpachten. Hierzu muss er im Zweifel gegen den Drittschuldner Klage auf Besitzeinräumung erheben (OLG Düsseldorf, Rpfleg...

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