1 Regelungsgehalt

 

Rz. 1

Die Regelung ist durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 mit Wirkung ab 1.7.2010 geändert worden (BGBl. I 2009, S. 1707). Danach hat der Gesetzgeber den Pfändungsschutz auf "sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind", erweitert (BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 112 = FoVo 2018, 114 = ZInsO 2018, 866 = NZI 2018, 326 = ZIP 2018, 737 = NJW-RR 2018, 625; BGH, DB 2014, 1737 = WM 2014, 1485 = ZIP 2014, 1542 = ZInsO 2014, 1609 = NZI 2014, 772 = MDR 2014, 1173 = NJW-RR 2014, 1197 = DZWIR 2014, 555 = ZVI 2014, 416 = Rpfleger 2014, 687 = JurBüro 2014, 606 = Vollstreckung effektiv 2014, 169; im Ergebnis ebenso BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 112; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2359) und damit nicht nur die Ungleichbehandlung von abhängig beschäftigten und selbstständig tätigen Personen beseitigt (BT-Drucks. 16/7615 S. 18 zu Nr. 7), sondern auch den Vollstreckungsschutz für sonstige Einkünfte an den Pfändungsregelungen für das laufende Arbeitseinkommen ausgerichtet. Seitdem gilt, dass für sämtliche Einkünfte von nicht abhängig beschäftigten Personen Pfändungsschutz möglich ist. Nach der Vorschrift kann Pfändungsschutz durch die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts für sämtliche Arten von Einkünften, die keinem besonders geregelten Pfändungsschutz wie z. B. Arbeitseinkommen und Sozialleistungen unterliegen, gewährt werden. Der Pfändungsschutz nach § 850i ZPO kann als zwingende Vorschrift des Schuldnerschutzes im Zuge einer Forderungsabtretung auch nicht ausgeschlossen werden (BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 112 = NJW-RR 2018, 625 = MDR 2018, 701 = InsbürO 2018, 238 = Rpfleger 2018, 482)

 

Rz. 2

Das Gericht hat einen Zeitraum zu bestimmen, für den die Einkünfte bemessen sein müssen. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wann der Schuldner mit weiteren Einkünften rechnen kann, um seinen und den Unterhalt seiner Familie zu bestreiten. Dabei sind nach wie vor die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, also insbesondere sonstige Verdienstmöglichkeiten und Vermögen, zu berücksichtigen. Mehrere Vergütungsansprüche sind zusammenzurechnen und auch laufendes Einkommen ist heranzuziehen. Die Belange des Gläubigers sind zu prüfen (Abs. 1 Satz 3), also etwa, ob er sich selbst in einer Notlage befindet, oder auf welchem Rechtsgrund sein Titel beruht.

2 Normzweck

 

Rz. 3

Die Norm bezweckt die Gleichstellung des Schuldners mit sonstigen Einkünften, die keinem besonders geregelten Pfändungsschutz wie z. B. Arbeitseinkommen und Sozialleistungen unterliegen. Insofern werden insbesondere Schuldner mit in einem festen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehenden Schuldnern gleichgestellt (LG Halle, Rpfleger 2001, 440; BGH, NJW-RR 2004, 644 = ZVI 2004, 243 = FamRZ 2004, 790 = Rpfleger 2004, 361 = WuB VI E § 850i ZPO 1.04 = MDR 2004, 713). Der Begriff der "sonstigen Einkünfte", die kein Arbeitseinkommen sind, ist dabei autonom und nicht nach den Bestimmungen des EstG auszulegen. Die Vorschrift schützt v.a. die freiberuflich Tätigen, die über kein laufendes Arbeitseinkommen verfügen, sondern ihre Leistungen persönlich und aufgrund einzelner Aufträge oder Mandate erbringen und ihre Honorare einmalig und damit nicht wiederkehrend unmittelbar nach Erfüllung ihrer persönlich erbrachten Arbeitsleistung erhalten (BGH, NJW-RR 2004, 644 = ZVI 2004, 243 = FamRZ 2004, 790 = Rpfleger 2004, 361 = WuB VI E § 850i ZPO 1.04 = MDR 2004, 713).

3 Anwendungsbereich

 

Rz. 4

Es muss sich um nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder um sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, handeln. Insofern fallen Vergütungen, die ein Unternehmer für die durch abhängig beschäftigte Arbeitnehmer erbrachten Leistungen erhält, nicht unter den Anwendungsbereich der Norm.

Die Norm ist anzuwenden bei Abfindung des Arbeitnehmers nach §§ 9, 10 KSchG, §§ 112, 113 BetrVG (LG Münster, VuR 2011, 430; LAG Köln, Urteil v. 30.7.2010, 11 Sa 909/09 – Juris; LG Köln, ZVI 2007, 20; AG Bad Oldesloe ZVI 2007, 470; BAG, NJW 1997, 1868; BAG, NZA 1992, 382; LAG Schleswig-Holstein, NZA-RR 2006, 371; BAG, NZA 1997, 563 = NJW 1997, 1868 = KTS 1997, 314; BFH, DZWIR 2010, 419 = ZVI 2010, 393 = BFH/NV 2010, 1856; Sächsisches FG, ZInsO 2010, 817; LG Bochum, ZInsO 2010, 1801 = ZVI 2010, 479 = VuR 2011, 24 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2010, 93; AG Langen, FamRZ 2003, 699; LG Mainz, JurBüro 2000, 157; Zöller/Herget, § 850i Rn 1; Musielak/Voit/Becker, § 850i Rn 4 a. A. LAG Niedersachsen, MDR 2004, 714; LG Essen, ZVI 2011, 379 = VuR 2011, 429 = "sonstige Einkünfte"; vgl. auch Rz. 16), auch wenn dies im Rahmen eines Vergleichs im Kündigungsschutzprozess vereinbart wird (LG Münster, InVo 2003, 161). Jedoch ist der nach der Überweisung der Abfindung auf das Konto des Schuldners entstandene Anspruch gegen die Bank als Drittschuldnerin kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung im Sinne des § 850i ZPO, sondern ein anderer Anspruch (vgl. auch BGH, BGHZ 160, 112 = WM 2004, 1928 = Rpfleger 2004, 711 = NJW 2004, 3714 = JurBüro 2004, 671 = MDR 2005...

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