1 Normzweck

 

Rz. 1

Schon vor der Pfändung kann der Vollstreckungsgläubiger durch den Gerichtsvollzieher dem Drittschuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, dass die Pfändung bevorstehe, zustellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen und an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten ("Pfändungsankündigung", sog. Vorpfändung, Abs. 1 Satz 1 auch vorläufiges Zahlungsverbot genannt). Die Norm bezweckt den Schutz des Gläubigers vor eventuellen Verzögerungen der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte durch das Vollstreckungsgericht. Zudem soll der Gläubigeranspruch vor vollstreckungsvereitelnden Maßnahmen des Schuldners gesichert werden. Denn nicht nur Rangnachteile kann der Gläubiger durch die verzögerliche Behandlung seines Pfändungsantrags erleiden, sondern der durch den Titel in der Hand des Gläubigers bereits "gewarnte" Schuldner könnte Außenstände noch schnell einziehen (und verbrauchen) oder Forderungen durch Abtretung "in Sicherheit bringen", um den Erfolg der Zwangsvollstreckung möglichst zu verhindern. Durch die Möglichkeit der Vorpfändung kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung frühzeitig sichern, ohne durch die Wartefristen des § 750 Abs. 3 ZPO (h. M. BGHZ 93, 71 = WM 1985, 78 = ZIP 1985, 150 = BB 1985, 294 = DB 1985, 545 = NJW 1985, 863 = Information StW 1985, 186 = JurBüro 1985, 701 = EWiR 1985, 25 = MDR 1985, 404) und § 798 ZPO (h. M. BGH, NJW 1982, 1150 = WM 1982, 233 = EBE/BGH 1982, 67 = BB 1982, 399 = ZIP 1982, 292 = JZ 1982, 295 = DB 1982, 1002 = Information StW 1982, 233 = JurBüro 1982, 853 = MDR 1982, 574 = JuS 1982, 626) gehindert zu sein.

Die Norm gibt dem Gläubiger daher die Möglichkeit, ohne Inanspruchnahme des Vollstreckungsgerichts im Wege privater Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beschleunigt den Eintritt der Pfändungswirkung herbeizuführen. Er kann hierzu dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner durch den Gerichtsvollzieher eine Mitteilung von der bevorstehenden Pfändung zustellen lassen, muss allerdings die Pfändung selbst binnen eines Monats bewirken (Abs. 2 Satz 1). Sinn hat eine Vorpfändung daher nur, wenn innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Benachrichtigung an den Drittschuldner die Pfändung bewirkt wird, weil die Wirkungen der Vorpfändung sonst wegfallen.

2 Anwendungsbereich – Zulässigkeit

 

Rz. 2

Der Anwendungs- und Zulässigkeitsbereich der Norm erstreckt sich

  • auf die Pfändung von Geldforderungen (§ 829 ZPO), auch wenn für diese eine Hypothek besteht (§§ 830, 830a ZPO; Zöller/Herget, § 845 Rn. 1),
  • auf den Anspruch auf Herausgabe oder Leistung einer körperlichen Sache (§§ 846ff. ZPO)
  • auf die Vollstreckung in sonstige Vermögenswerte (§ 857 ZPO) soweit die Forderungen und Rechte nicht der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen oder der durch den Gerichtsvollzieher (§ 831 ZPO) unterliegen (Musielak/Voit/Becker, § 845 Rn. 1).
 

Rz. 3

Die Vorpfändung ist auch für die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO zulässig (BGHZ 93, 71 71 = WM 1985, 78 = ZIP 1985, 150 = BB 1985, 294 = DB 1985, 545 = NJW 1985, 863 = Information StW 1985, 186 = JurBüro 1985, 701 = EWiR 1985, 25 = MDR 1985, 404). Hat allerdings der Schuldner Sicherheit zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung in Höhe des Hauptanspruchs erbracht (§ 720a Abs. 3 ZPO), kann der Gläubiger eine Vorpfändung allerdings nur noch dann in die Wege leiten, wenn er selbst wirksam Sicherheit geleistet hat (a. A. Zöller/Herget, § 845 Rn. 2).

 

Rz. 4

Da es für die Anwendung des § 845 ZPO gleich ist, ob die Vollstreckung bereits zu einer endgültigen Befriedigung oder nur einer Sicherung des Gläubigers führen soll, sind auch Titel aus Arrest und einstweiliger Verfügung (sog. Leistungs- oder Befriedigungsverfügung) taugliche Titel. In diesen Fällen ist aber die Vollziehungsfrist zu wahren. Liegt dagegen ein vollstreckbarer Titel nicht vor, so kann eine gleichwohl vorgenommene Vorpfändung, wenn später ein Titel entstehen sollte, nicht mit Wirkung ex nunc geheilt werden.

 

Rz. 5

Mit Pfändung im Sinne der Vorschrift ist nur eine solche durch Pfändungsbeschluss des Gerichtes gemäß § 829 Abs. 1 ZPO gemeint (AG Heilbronn ZfIR 2008, 770). Daher ist die Norm unanwendbar bei Wertpapieren, Wechseln und anderen Forderungen, deren Pfändung nicht dem Vollstreckungsgericht, sondern dem Gerichtsvollzieher nach § 831 ZPO obliegt (Musielak/Voit/Becker, § 845 Rn. 1; OLG Frankfurt/Main, MDR 1994, 843; OLG Köln, Rpfleger 1991, 241).

Die Vorpfändung spricht ersichtlich von einer nachfolgenden "Pfändung" der genannten Forderungen und verweist in diesem Zusammenhang auf § 840 ZPO, der nur für den Fall der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen gilt, nicht jedoch für den Fall der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Es ist auch nicht möglich, eine im Rahmen einer Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen ausgesprochene Vorpfändung mit einem nachfolgenden Zahlungsverbot in der Zwangsverwaltung, somit der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, in ihrer Wirkung zu kombi...

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