1 Grundsatz – Zweck

 

Rz. 1

Die Vorschrift bezweckt die Pfandverwertung von Wertpapieren, welche einen sicheren Börsen- oder Marktpreis erzielen. Sie knüpft an die Pfändung an. Für die Pfändung von Wertpapieren gilt § 808 ZPO entweder unmittelbar oder über § 831 ZPO. Wertpapiere im engeren Sinne werden ausnahmslos vom Gerichtsvollzieher als bewegliche Sachen nach den Regeln der §§ 808, 809, 826 ZPO gepfändet (vgl. § 104 Abs. 1 GVGA). Demgegenüber unterliegen die sog. Legitimationspapiere allenfalls der Hilfspfändung nach § 106 GVGA. Ihre Pfändung hat ggf. durch Forderungspfändung nach den § 836 Abs. 3 ZPO zu erfolgen (vgl. auch Rz. 5).

2 Definition von Wertpapieren

 

Rz. 2

Ein Wertpapier ist eine Urkunde, die ein privates Recht, beispielsweise das Miteigentum an einem Unternehmen, verbrieft. Um das Recht geltend zu machen, ist zumindest der Besitz der Urkunde notwendig.

 

Rz. 3

Unterschieden wird nach folgenden Arten:

  • Inhaberpapiere sind Wertpapiere, bei denen Berechtigter der Vorleger ist. Die Übertragung erfolgt durch bloße (Vereinbarung und) Übergabe des Papiers. Beispiele sind die Aktie oder die Inhaberschuldverschreibung. Die Übertragung erfolgt wie bei beweglichen Sachen nach §§ 929 ff. BGB. Widerlegbar wird vermutet, dass derjenige, der die Urkunde im Besitz hat, auch materiell rechtlich zum Besitz berechtigt ist und daher legitimiert ist, die Forderung aus der Urkunde zu verlangen (vgl. bei Inhaberschuldverschreibung § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB; Schmidt, DGVZ 2014, 77). Befreiende Leistung an denjenigen, der sich im Besitz der Urkunde befindet, ist möglich (Annuß/Becker, JA 2003, 337, 340).
  • Rektapapiere (Namenspapiere) sind Wertpapiere, bei denen Berechtigter (nur) der darauf Genannte ist, z. B. Hypotheken-, Grundschuldbrief, Sparbuch. Die Übertragung erfolgt durch (Vereinbarung und) Zession (Forderungsabtretung). Beispiele sind die (sonst) geborenen Orderpapiere mit negativer Orderklausel (Rektaklausel), die (sonst) gekorenen Orderpapiere ohne Orderklausel. Geltend machen kann das Recht nur der namentlich Bezeichnete oder dessen Rechtsnachfolger (Schmidt, DGVZ 2014, 77, 78)
  • Orderpapiere sind Wertpapiere, die einen namentlich Bezeichneten als Berechtigten ausweisen oder durch Order z. B. den Überbringer ausweisen. Die Übertragung erfolgt durch Indossament und (Vereinbarung und) Übergabe. Man unterscheidet folgende Orderpapiere:

    • Geborene (gesetzliche) Orderpapiere sind Wertpapiere, die auch ohne Orderklausel Orderpapiere sind. Geborene Orderpapiere sind nur der Wechsel, Scheck und die Namensaktie.
    • Gekorene Orderpapiere sind Wertpapiere, die nur dann Orderpapiere sind, wenn sie eine Orderklausel enthalten (sonst sind sie Rektapapiere). Gekorene Orderpapiere sind nur die (Transport)Versicherungspolice, das Konnossement, der Ladeschein, der (Order)Lagerschein, die kaufmännische Anweisung sowie der kaufmännische Verpflichtungsschein.
 

Rz. 4

Alle anderen mit Orderklausel versehenen Papiere sind keine echten Orderpapiere. Durch Indossament wird bei ihnen nur die Abtretung beurkundet (mit den gleichen Rechtswirkungen wie bei Namenspapieren).

 

Rz. 5

Wertpapiere i. S. d. § 821 ZPO sind nur solche, bei denen das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt. Zur Geltendmachung des Rechts ist das Innehaben der Urkunde erforderlich (Musielak/Becker, § 820 Rn. 2; MünchKomm/ZPO-Gruber. § 821 Rn. 2. Hierunter fallen beispielsweise Inhaberpapiere und Namenspapiere (vgl. § 822 Rz. 1), wie z. B. Aktien, Investmentanteile, Immobilienzertifikate, Inhaberschuldverschreibungen, ausländische Banknoten, Pfandbriefe, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe auf den Inhaber (§§ 1195, 1199 BGB), (Verrechnungs-)Schecks (LG Göttingen NJW 1983, 635), Genussscheine (Zöller/Herget, § 821 Rn. 4a). Nicht zu den Wertpapieren i. d. S. gehören Legitimationspapiere (z. B. Versicherungsscheine, Sparbücher, Pfandscheine etc.; vgl. auch § 104 Abs. 2 Satz 2 GVGA) und Wechsel sowie andere Papiere (Gesellschaftsanteile einer GmbH; OLG Köln, GmbHR 1995, 293), die durch Indossament übertragen werden können. Solche Papiere sind nicht Träger eines Rechts. Sie werden im Rahmen der so genannten Hilfspfändung gem. §§ 836 Abs. 3, 883 ZPO, § 106 GVGA durch den Gerichtsvollzieher weggenommen. Ebenso liegt kein Wertpapier bei bloßen Beweisurkunden (= Beweis des Bestehens des Rechts), wie z. B. Quittung, Schuldschein, Kaufvertrag, sowie bei einfachen Legitimationsurkunden (= Prüfung der Berechtigung des Vorlegers zur Empfangnahme einer Leistung), beispielsweise Garderobenmarke, Gepäckaufbewahrungsschein, Reparaturschein etc., vor.

3 Verwertung

 

Rz. 6

Haben die Wertpapiere im Inland einen Börsen- oder Marktpreis, so hat der Gerichtsvollzieher sie "aus freier Hand zum Tageskurs zu verkaufen" (1. Alternative; § 105 Abs. 1 GVGA). Börsenpreis ist der jeweilige amtliche Kurs eines an der Börse zum Handel zugelassenen Papiers, Marktpreis der am inländischen Handelsplatz festgelegte Ankaufspreis eines Papiers. Der Gerichtsvollzieher hat umgehend festzustellen, ob ein Börsen- oder ein Marktpreis besteht. Die Verwertung (Verkauf) hat umgehend zu erfo...

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