Rz. 22

Die Vorschrift bestimmt die Unpfändbarkeit von Sachen, die der bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung, d. h. bei einem bereits bestehenden Hausstand (LG München, DGVZ 1983, 93), dienen. Das Pfändungsverbot knüpft an die Regelung des § 811 Abs. 1 Nr. 1 HS 1, Nr. 2 ZPO a. F. an. Die bisherige Aufzählung von einzelnen Sachen wie Kleidungsstücken, Wäsche, Betten, Haus- und Küchengerät, Nahrungs-, Feuerungs-, Beleuchtungsmittel ist dabei entfallen, weil sich deren Unpfändbarkeit bereits aus dem übergeordneten Begriff der "bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung" ergibt (BT-Drucks. 19/27636, 26f.). Der bisherige Pfändungsschutz für Gartenhäuser und ähnliche Einrichtungen nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 ZPO a. F. ist nunmehr in § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO geregelt. Das bisherige Merkmal "Verschuldung angemessenen bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung" ist entfallen.

Welche Gegenstände letztlich dahingehend unpfändbar sind, bestimmt sich somit in erster Linie nach der Verkehrsanschauung und den Besonderheiten des Einzelfalles zum Zeitpunkt der Pfändung Gegenstände, die in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben sowie die Möglichkeit der Information über das Zeitgeschehen ermöglichen, dienen persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens, können somit als für den bescheidenen Gebrauch bestimmt unpfändbar sein (LSG Rheinland-Pfalz, info 2018, 85). Dem Gläubiger bleibt die Möglichkeit einer Austauschpfändung nach § 811a ZPO. Diese ist allerdings nur zulässig, wenn das Ersatzstück eine annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie der Pfandgegenstand aufweist (BGH, Vollstreckung effektiv 2011, 171 = NJW-Spezial 2012, 41 = NJW-RR 2011, 1366 = WM 2011, 1477).

 

Rz. 23

Der gemeinsame Haushalt des Schuldners umfasst alle Familienmitglieder, die im Haushalt des Schuldners leben. Eine Unterhaltspflicht seitens des Schuldners ist nicht erforderlich. Unpfändbar sind nur die Sachen, die der Schuldner für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung braucht, wobei die Art und das Maß der Verschuldung nicht zu berücksichtigen sind. Jeder Schuldner muss sich auf eine bescheidene Lebensführung einstellen, auch, wenn er zuvor eine hohe soziale Stellung eingenommen hat. Der Schuldner darf jedoch nicht auf den Stand völliger Ärmlichkeit herabgestuft werden (AG München, DGVZ 1981, 94; LG Heilbronn, MDR 1992, 1001). Sind Haushaltsgegenstände Dritten im Wege der nicht gewerbsmäßigen Untervermietung überlassen worden, sind diese pfändbar (AG Berlin, DGVZ 1939, 11).

 

Rz. 24

Für die Beurteilung der Unpfändbarkeit spielen neben der Zahl, dem Alter und der körperlichen Verfassung der Haushaltsangehörigen auch die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse eine Rolle. Dies hat zur Folge, dass insb. die zunehmende Ausstattung der Haushalte mit technischen Geräten bei der Beurteilung einer bescheidenen Haushaltsführung von Bedeutung ist. Entscheidend dürfte somit stets eine Einzelfallbetrachtung sein.

 

Rz. 25

Unpfändbar sind bspw.:

  • Fortbewegungsmittel, wie z. B. einfaches, gebrauchtes Fahrrad (LSG Sachsen-Anhalt, NJ 2018, 126).
  • Sachen der Wohnungseinrichtung (Tisch, Stühle, Schrank, Liege, wohl auch Teppich [KG, DGVZ 1967, 105]), gesamte Wohnzimmereinrichtung (bei vierköpfiger Familie; vgl. FG Brandenburg, JurBüro 1998, 664). Zum unpfändbaren Hausrat eines Schuldners gehören ein Esstisch und vier Stühle sowie ein Sideboard, eine Polstergruppe und ein Couchtisch. Dies gilt auch dann, wenn die Möbel von besonderem Wert sind. Eine Glasvitrine gehört dagegen nicht zu den unpfändbaren Sachen (LG Heilbronn, Rpfleger 1993, 119). Wird der Schuldner durch Räumung obdachlos und lebt er deshalb in einer Pension, so unterliegen seine Einrichtungsgegenstände weiterhin der Schutzvorschrift des § 811 ZPO (LG München I, DGVZ 1983, 93). Unpfändbarkeit besteht auch im Hinblick auf die Geltendmachung eines Vermieterpfandrechts nach §§ 562 Abs. 1, 562b Abs. 1 Satz 2 BGB (OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.6.2006 – VI-U (Kart) 35/05 – Juris; AG Jülich, DGVZ 2007, 125; LG Berlin, DGVZ 2005, 14 = Grundeigentum 2005, 243; AG Hanau, DGVZ 2005, 185; AG Lörrach, DGVZ 2005, 109; OLG Frankfurt am Main, InVo 2001, 220; a. A. AG Köpenick, Grundeigentum 2005, 921; AG Tempelhof-Kreuzberg, Grundeigentum 2005, 743; AG Leer, ZMR 2005, 629; AG Wedding, NJW-RR 2005, 162).
  • Haus und Küchengeräte (Gas- oder Elektroherd, Warmwasserbereiter, Kaffeemaschine, Staubsauger, Kühlschrank, Waschmaschine [LG Berlin, NJW-RR 1992, 1038; a.A. LG Konstanz, DGVZ 1991, 25], Gefrier- oder Kühltruhe [nicht bei Zweipersonenhaushalt: AG Schöneberg, DGVZ 1990, 15]); Die Pfändbarkeit einer Waschmaschine hängt in erster Linie von der Zahl der zum Haushalt gehörenden Personen ab, wobei insb. die Kinderzahl maßgeblich ist. Einer alleinstehenden Person, die weder betagt noch behindert ist, kann zugemutet werden, in einen Waschsalon zu gehen (LG Konstanz, DGVZ 1991, 25; OLG Köln, MDR 1969, 151; vgl. auch AG Schöneberg, DGVZ 1990, 15). Unterhält der Schuldner mehrere Wohnungen, so ...

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