Rz. 9

Der Prozessvergleich ist Vollstreckungstitel nur, soweit er auch einen vollstreckbaren Inhalt hat (Zöller/Geimer, § 794 Rn. 14). Das Erfordernis eines eindeutig bestimmten Titels, der auch für jeden außenstehenden Dritten klarstellt, welche Handlung vom Schuldner mithilfe staatlicher Machtmittel erzwungen werden soll, dient auch öffentlichen Interessen, nämlich dem Gebot der Gesetz- und Rechtmäßigkeit aller staatlichen Zwangsmaßnahmen (vgl. LAG Hessen, NZA-RR 2004, 382). Bei nicht zweifelsfreiem Inhalt kann der Titel ausgelegt werden (Zur Auslegung und den Anforderungen, an die Bestimmtheit eines Prozessvergleichs, der auf die Erteilung eines Zeugnisses gerichtet ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Beschluss v. 23.3.2011, 3 Ta 251/10; LAG Hamm, JurBüro 2010, 608; LAG Hamm, Beschluss v. 3.2.2010, 10 Ta 537/09). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BAG, ArbR 2011, 586 = NJW-Spezial 2011, 692; BGH NJW 1993, 1995). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung(en) dürfen nicht aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist (BAG a. a. O.; BAGE 105, 195). Da ausschließlich der Titel deren zulässige Reichweite bestimmt, kann sein Inhalt nur nach Auslegungskriterien ermittelt werden, die sich aus ihm selbst ergeben. Ein Rückgriff auf im Laufe des Verfahrens gestellte Anträge, hierfür gegebene Begründungen, den Akteninhalt im Übrigen oder auf sonstige bereits existierende oder noch vorzulegende Schriftstücke kommt nicht in Betracht (vgl. LAG Hessen, NZA-RR 2004, 382; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1992, 1408; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1998, 1680). Bei einem gerichtlichen Vergleich ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die darin eingegangenen Verpflichtungen und zugesagten Leistungen zum vollstreckbaren Inhalt gehören. Ein Vergleich mit der Formulierung, "der Kläger bezahle freiwillig" und "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht", ist vollstreckbar (OLG Stuttgart, Rpfleger 1997, 446). Wird in einem Räumungsvergleich das zu räumende Grundstück nur mit der Grundbuchbezeichnung (Gemarkung, Band, Blatt, Flurstück-Nr.) benannt, ist der Titel für die zwangsweise Räumung hinreichend bestimmt, weil seine genaue Lage durch Grundbucheinsicht oder Vorlage eines Grundbuchauszugs ermittelt werden kann (OLG München, DGVZ 1999, 26). Die zu räumende Wohnung muss im Titel (Vergleich) eindeutig bezeichnet sein (LG Heidelberg, DGVZ 2020, 15). Ein Prozessvergleich ist nur dann genügend bestimmt, wenn die zu vollstreckende Handlung allein aus dem Titel erkennbar ist. Es muss auch hier für jeden Dritten aus dem Titel selbst erkennbar sein, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann (OLG Koblenz, InVo 2002, 510). Bei einem Zahlungstitel muss der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt sein oder sich zumindest aus dem Titel ohne weiteres errechnen lassen. Der in einem Vergleich ausgewiesene Zahlungsbetrag mit unbezifferter Anrechnungsklausel ist mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, NJW 2017, 1970; AG Augsburg v. 18.2.2013, 1 M 30115/13). Notfalls hat das Vollstreckungsorgan den Inhalt des Titels durch Auslegung festzustellen. Dabei muss der Titel jedoch aus sich heraus für die Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen. Es genügt nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (LAG Niedersachsen, AE 2008, 68).

Die Formulierung in einem Vergleichstext, "die Beklagte verpflichtet sich, den vereinbarten Pachtzins bis Ende März 1997 zu zahlen" ist inhaltlich zu unbestimmt und damit für die Vollstreckung nicht geeignet, soweit sich die genaue Höhe des vereinbarten Pachtzinses nicht aus dem übrigen Vergleichstext ergibt (OLG Koblenz, InVo 2002, 508). Das Gleiche gilt für einen Vergleich in dem sich die Beklagte verpflichtet, "sämtliche Baustellen und Aufträge, an denen der Kläger mitgewirkt hat, nachvollziehbar hinsichtlich des Gewinns abzurechnen …" (LAG Düsseldorf, InVo 2004, 157). Ein Freistellungstitel hat nur dann die erforderliche Bestimmtheit, wenn aus dem Titel eindeutig hervorgeht, welchen Umfang die Verbindlichkeit hat, von der der Schuldner den Gläubiger freizustellen hat. Soll von einer Zahlungsverpflichtung freigestellt werden, so ist der Umfan...

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