Rz. 1

Zur Vorbereitung oder weiteren Durchführung der Zwangsvollstreckung benötigt der Gläubiger bisweilen öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, auf deren Erteilung nach den allgemeinen Regeln nur der Schuldner einen Anspruch hat. Der Schuldner stellt aber den erforderlichen Antrag nicht, um die Zwangsvollstreckung zu hintergehen. Hier setzt nun die Vorschrift ein und gewährt dem Gläubiger ein eigenes Antragsrecht auf Erteilung der in Rede stehenden Urkunde durch eine Behörde oder einen Notar. Die Vorschrift begründet für den Gläubiger u. a. des Erblassers, der bereits einen vollstreckbaren Titel gegen den Erblasser hat und zur Verwirklichung des Titels eines Erbscheins bedarf, ein inhaltsgleiches Antragsrecht wie das des Erben als seines Schuldners (OLG München, Zerb 2014, 256). Die Bestimmung gilt für jede Art der Zwangsvollstreckung, grundsätzlich auch für die Verwaltungsvollstreckung (s. u.), sofern für die Vollstreckung der urkundliche Nachweis erforderlich ist, der mit dem Erbschein oder einer sonstigen Urkunde geführt werden soll (OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 224). Bei der Teilungsversteigerung (§ 180 ZVG) zur Auflösung einer Bruchteils- oder Gesamthandsgemeinschaft findet § 792 ZPO entsprechende Anwendung (KG Berlin, NJW-RR 2018, 1226).

Die Vorschrift des § 792 ZPO ist bei der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvollstreckung wegen Geldleistungen (Gewerbesteuerschulden) von vornherein nur auf bestimmte Fallgestaltungen anwendbar. Grundsätzlich ist die Vollstreckung von abgaberechtlichen Verwaltungsakten den zuständigen Trägern öffentlicher Gewalt übertragen; diese können die Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen dem Bürger gegenüber anordnen und selbst geschaffene Titel (sog. Grundverwaltungsakte) sodann auch selbst durchsetzen ("Selbstvollstreckung"). Dabei bedarf die Vollstreckungsbehörde, wenn sie gegen den Erblasser erlassene Verwaltungsakte gegen den Erben vollstrecken will, keines Nachweises in der Form eines Erbscheins, wie bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen den Erben nach § 727 ZPO; sie kann vielmehr selbst das erforderliche Leistungsgebot an denjenigen richten, den sie für den Erben hält. Etwas anderes gilt allerdings bei der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Geldleistungsschuldners, weil insoweit auf die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften verwiesen und der Vollstreckungsbehörde nur die Stellung des Zwangsvollstreckungsgläubigers eingeräumt wird (vgl. § 59 LVwVG Rheinland-Pfalz bzw. § 322 AO); hier kann es vorkommen, dass die Vollstreckungsbehörde gegenüber dem Grundbuchamt oder dem Vollstreckungsgericht zum Nachweis der Erbeneigenschaft eines Erbscheins bedarf, wie im Fall des § 17 Abs. 1 und Abs. 3 ZVG. In einem derartigen Fall ist dann auch § 792 ZPO anwendbar (OLG Zweibrücken, ZEV 2006, 561 = FamRZ 2007, 160; BayObLG, NJW-RR 2002, 440 f m.w.N = FamRZ 2001, 1737 = ZEV 2001, 408).

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