Rz. 42

Der Schuldner kann nach § 767 Abs. 1 ZPO "Einwendungen, die den durch Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen", mit der Klage geltend machen. Damit dient der Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO der Durchsetzung rechtsvernichtender, – hemmender und – beschränkender Einwendungen (KG, NJW 2015, 3726). Da das Urteil den Schuldner zur Erfüllung eines materiell-rechtlichen Anspruchs anhält, handelt es sich bei der vom Kläger im neuen Rechtsstreit erhobenen Einwendung gegen diesen Anspruch um eine solche des materiellen Rechts (BGH, NJW-RR 1990, 246). Deshalb kann mit der Vollstreckungsgegenklage nicht geltend gemacht werden, dass der Gläubiger derzeit nicht ordnungsgemäß vertreten sei (OLG Frankfurt, MDR 1997, 194). Im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage ist nicht über die Einwendung, es liege ein ungültiger Titel vor, zu entscheiden (LG Deggendorf, Urteil v. 7.2.2018, 22 O 162/17, juris). Der Einwand, der Gläubiger habe seine Zug-um-Zug zu erbringende Leistung noch nicht erbracht, ist keine Einwendung, auf die der Schuldner eine Vollstreckungsabwehrklage i. S. d. § 767 ZPO stützen kann (OLG München, Beschluss v. 9.4.2020, 19 U 2358/19). Der Einwand der Unzumutbarkeit der Erbringung einer vertretbaren Handlung kann nur im Wege der Zwangsvollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Der Einwand der Unmöglichkeit der Erfüllung der vollstreckbaren Forderung kann der Zwangsvollstreckung auch im Verfahren nach § 888 ZPO entgegengehalten werden (OLG Hamburg, DGVZ 2020, 146).

 

Rz. 43

Weil ferner nach § 767 Abs. 2 ZPO nur solche Einwendungen geltend gemacht werden können, die erst nach einem bestimmten Zeitpunkt entstanden sind, scheiden rechtshindernde Einwendungen von vornherein aus, so dass nur rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen im Rahmen des § 767 ZPO bedeutsam sind.

 

Rz. 44

Als rechtsvernichtende Einwendungen kommen beispielsweise in Betracht: Erfüllung (BGH, NJW 1984, 2826; NJW 1987, 59 = WM 1986, 1032), einschließlich Leistung an Erfüllungs statt. Zur Erfüllung gehört auch der Einwand, freiwillig an den Gerichtsvollzieher geleistet zu haben (BGH, NJW 2009, 1085). Der Einwand der Erfüllung greift erst dann, wenn alle titulierten und dabei beitreibbaren (§ 788 ZPO) Forderungen erfüllt sind (OLG Brandenburg, JurBüro 2007, 548). Er ist stets durch Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen (OLG Nürnberg, OLGR 2009, 115; OLG München, MDR 2000, 907). Besteht Gesamtschuldnerschaft, kann jeder einzelne der Gesamtschuldner den Erfüllungseinwand im Rahmen des § 767 Abs. 1 ZPO erheben. Weitere rechtsvernichtende Einwendungen sind die Hinterlegung unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme, Aufrechnung (BGH, WM 1995, 290 = ZIP 1995, 628; WM 1995, 634; NJW 1980, 2527; NJW 1980, 2527; NJW 1990, 3210; KG, NJW-RR 1995, 719; OLG Frankfurt/Main, VersR 1986, 543; LG Ravensburg, DGVZ 1988, 44), Erlass, Anfechtung, Eintritt einer auflösenden Bedingung (OLG Brandenburg, NJW 2014, 643), Befristung (OLG Brandenburg, a. a. O.) oder eines Endtermins, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Unmöglichkeit der Leistung (OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1087), Rücktritt (BGH, MDR 1978, 1011), Wandlung (BGHZ 85, 367) und unzulässige Rechtsausübung (BGHZ 94, 316). Für die Entscheidung, ob ein titulierter Anspruch erfüllt ist, ist der Vollstreckungstitel maßgeblich, nicht die materiell-rechtliche Rechtslage (OLG Köln, Beschluss v. 22.12.2009, 19 W 24/09). Auch vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen sind grundsätzlich mit der Klage aus § 767 ZPO geltend zu machen (KG, InVo 1997, 242; OLG Köln, NJW-RR 1995, 576). Ist nach dem Urteil dem Versicherungsnehmer eine Berufsunfähigkeitsrente zugesprochen worden und bessert sich der Gesundheitszustand desselben nach Erlass des Urteils auf Dauer so, dass er die frühere oder eine vergleichbare Tätigkeit aufnehmen kann oder dass er auch ohne gesundheitliche Änderungen aufgrund anderer Umstände, z. B. einer Umschulung, eine zumutbare Tätigkeit ausüben kann (§ 7 BB-BUZ), auf die ihn der Versicherer noch verweisen kann (mangels Ausschluss im Streit um die Zuerkennung der Berufsunfähigkeit), liegt ein Fall des § 767 Abs. 2 ZPO vor. Der Versicherer kann indes nicht unmittelbar den Weg über die Vollstreckungsgegenklage beschreiten, sondern muss nach § 7 BB-BUZ vorgehen und – rechtsgestaltend (vgl. BGH, NJW 1987, 2873) – die Leistungseinstellung dem Versicherungsnehmer mitteilen. Wird die Mitteilung wirksam, ist der Versicherer von der Leistung frei und kann nunmehr gegen den Titel mit der Vollstreckungsgegenklage vorgehen. Klagt der Versicherungsnehmer allerdings gegen die Einstellungsmitteilung, hängt es vom Ausgang dieses Prozesses ab, ob eine Vollstreckungsgegenklage in Betracht kommt. Klagt der Versicherungsnehmer nicht, kann der Versicherer nach Ablauf der Sechsmonatsfrist mit der Vollstreckungsgegenklage gegen den Titel vorgehen (OLG München, InVo 1997, 99; siehe auch BGH, a. a. O.). Ein Arbeitgeber kann im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht erfolgreich...

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