Rz. 9

Das Verfahren zur Erlangung der richterlichen Durchsuchungsanordnung zur Durchführung der Zwangsvollstreckung ist im Gesetz nicht geregelt. Nach der ständigen Rechtsprechung gelten die (Verfahrens-)Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung entsprechend (Zöller/Seibel, § 758 Rn. 15; Stein/Jonas/Münzberg, § 758 Rn. 15). Ausschließlich zuständig (§ 802 ZPO) ist der Richter beim Amtsgericht (nicht das Vollstreckungsgericht), in dessen Bezirk die jeweilige Vollstreckungshandlung vorgenommen werden soll (Absatz 1 Satz 1). Das gilt auch für die Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung (oder Lagerräumen) im Zusammenhang mit einer Besichtigungsverfügung im Bereich des geistigen Eigentums (LG Hamburg v. 16.1.2013, 327 O 13/13 – Juris; GRUR-RR 2014, 47). Für die Vollstreckung im Verwaltungswege nach den Regeln der Abgabenordnung bestimmt die Vorschrift des § 287 Abs. 4 AO, dass auch insoweit für die Erteilung einer Durchsuchungsanordnung das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Durchsuchung durch Vollziehungsbeamte vorgenommen werden soll (LG Potsdam, Rpfleger 1997, 173). Die Anordnung ergeht auf einen Antrag des Gläubigers. Es besteht seit dem 1.3.2013 nach § 758a Abs. 6 ZPO i. V. m. §§ 1, 5 ZVFV Anlage 1 Formularzwang (AG Bad Segeberg v. 17.12.2013, 6 M 873/13 – Juris; siehe zum Formularzwang auch Rz. 16). Erklärt der Gläubiger, er wolle einen Antrag nach § 758a Abs. 4 Satz 1 ZPO zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in der Wohnung des Schuldners stellen, ohne den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses gemäß § 758a Abs. 1 ZPO zu beantragen, kann eine richterliche Anordnung nicht ergehen, weil sich die richterliche Genehmigung auf eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme beziehen muss (AG Bad Segeberg a. a. O.; AG Zeitz v. 22.7.2013, 5 M 660/13). Das Gericht prüft das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen. Ihm obliegt auch die im Normalfall bei der Vollstreckung aus Beitragsfestsetzungsbescheiden nach § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB X erforderliche ordnungsgemäße Mahnung zu prüfen (AG Hamburg-Barmbek, Beschluss v. 13.8.2009, 803b M 731/09). Beantragt die Vollstreckungsbehörde die richterliche Durchsuchungsanordnung, hat sie in einem bestimmenden Schriftsatz die Erklärung abzugeben, dass die dem Antrag zugrunde liegende Forderung gem. §§ 249 ff. AO vollstreckbar ist (LG Potsdam, Rpfleger 1997, 173; LG Hamburg, Rpfleger 1997, 174). Die offen stehenden Forderungen sind dabei anhand der jeweiligen Steuerbescheide nach Grund und Höhe im Einzelnen zu bezeichnen (OLG Köln, InVo 1999, 125). Dem Antrag müssen die für den Beginn der Zwangsvollstreckung notwendigen Urkunden beigefügt werden. Zweckmäßig kann es sein, das Protokoll über einen vergeblichen Vollstreckungsversuch beizufügen (wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses). Der Vollstreckungstitel muss zugestellt sein (LG Berlin, DGVZ 1988, 74). Bei der Sicherungsvollstreckung muss auch die Klausel zugestellt und die Wartefrist abgelaufen sein (LG Darmstadt, DGVZ 1989, 120). Vor der Erteilung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung ist dem Schuldner in der Regel rechtliches Gehör zu gewähren (streitig; LG Würzburg, Beschluss v. 9.8.2019, 3 T 1223/19, juris; LG Darmstadt, DGVZ 1987, 86; MünchKomm/ZPO-Heßler, § 758 Rn. 75; a. A. LG Berlin, DGVZ 1988, 26). Im Ausnahmefall kann jedoch die Notwendigkeit, die gefährdeten Gläubigerinteressen zu sichern, die vorherige Anhörung ausschließen (so schon BVerfGE 57, 346; LG Würzburg, a. a. O.; LG Bamberg, a. a. O.). Ob allein die Gefährdung des Erfolgs der Zwangsvollstreckung ausreicht, rechtliches Gehör nicht zu gewähren, erscheint zweifelhaft (Schuschke/Walker, § 758 Rn. 17 m. w. N.; so aber LG Verden, JurBüro 1996, 272).

 

Rz. 10

Die Anordnung der Durchsuchung setzt weiter das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers voraus. Dies ist nur anzunehmen, wenn der Schuldner unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass er die Durchsuchung seiner Räumlichkeiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung freiwillig nicht gestatten werde (LG Hannover, DGVZ 1979, 184). Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung gemäß § 758a Abs. 1 ZPO ist in der Regel gegeben, wenn der Gerichtsvollzieher bei zwei Vollstreckungsversuchen innerhalb einer Woche, einmal um 8.04 Uhr und einmal um 20.59 Uhr, in der Wohnung des Schuldners niemand angetroffen hat. Das Rechtsschutzbedürfnis ist ausnahmsweise jedoch auch ohne einen oder mehrere (erfolglose) Vollstreckungsversuche anzunehmen, wenn ein Erfolg der Sequestration ansonsten vereitelt würde (AG Münster, DGVZ 2019, 263). Insbesondere gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keinen vorherigen erfolglosen Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit oder an einem Sonn- oder Feiertag gemäß § 758a Abs. 4 ZPO (LG Mönchengladbach, DGVZ 2008, 65 = MDR 2008, 292). Andererseits ist es unzulässig, vor dem ersten Vollstreckungsversuch "vorbeugend" einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen (LG Düsseldorf, DGVZ 1983, 1...

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