1 Grundsatz – Zweck

 

Rz. 1

Die Bestimmung macht den Beginn der Zwangsvollstreckung von besonderen Voraussetzungen (namentliche Bezeichnung der Vollstreckungsparteien, Zustellung des Schuldtitels einschließlich bestimmter Urkunden, Wartefrist bei der Sicherungsvollstreckung) abhängig (Stein/Jonas/Münzberg, § 750 Rn. 1). Sie findet entgegen dem engen Wortlaut auch dann Anwendung, wenn es um die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung, nach einem Gläubiger- oder Schuldnerwechsel geht (BGH, NJW-RR 2019, 1274; DGVZ 2007, 60 = Rpfleger 2007, 331 = NJW 2007, 3357; OLG Köln, WRP 2021, 536). Diese Voraussetzungen sind nicht in der Vollstreckungsklausel niedergelegt. Das jeweilig zuständige Vollstreckungsorgan hat daher das Vorliegen dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen vor der ersten Zwangsvollstreckungsmaßnahme selbstständig und eigenverantwortlich von Amts wegen zu prüfen. Die Regelungen des § 750 ZPO sind zwingend. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich des Beginns der Zwangsvollstreckung sehen die §§ 751, 756 ZPO vor (vgl. aber auch die §§ 765, 798, 798a ZPO). Abs. 1 stellt sicher, dass die Identifizierung von Schuldner und Gläubiger als Parteien der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan mit dem die Grundlage der Zwangsvollstreckung bildenden Vollstreckungstitel zuverlässig möglich ist. Abs. 2 und 3 (Aushändigung der Vollstreckungsunterlagen) ermöglichen dem Schuldner, die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung einwandfrei nachzuprüfen (Zöller/Seibel, § 750 Rn. 1). Schließlich findet mit der Wartefrist nach Abs. 3 der Schuldner Gelegenheit, den Sicherungszugriff auf sein Vermögen durch eine eigene Sicherheitsleistung noch abzuwenden (§ 720a Abs. 3 ZPO).

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Bestimmung gilt für die Zwangsvollstreckung aus allen nach den Vorschriften der ZPO zu vollstreckenden Titeln. Erfasst werden auch die in der Arbeitsgerichtsbarkeit (§§ 62 Abs. 2, 85 Abs. 1 ArbGG), sowie teilweise die im Verfahren nach dem FamFG (vgl. § 95 FamFG) oder der VwGO (vgl. § 167 Abs. 1 VwGO; VG Cottbus, NJW-Spezial 2020, 124). § 750 ZPO gilt für jedes Vollstreckungsorgan und für alle Vollstreckungsarten einschließlich der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO sowie der Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung (§§ 928, 936 ZPO), soweit nicht im Gesetz (z. B. in §§ 845, 929 Abs. 3 ZPO; § 133 ZVG) Ausnahmen bestimmt sind (Stein/Jonas/Münzberg, § 750 Rn. 2). Die Bestimmung ist bei der Zwangsvollstreckung nicht nur aus Urteilen (§ 704 ZPO), sondern auch aus weiteren Schuldtiteln (§§ 794, 795 ZPO) zu beachten. Die Voraussetzungen des § 750 ZPO sind von allen Vollstreckungsorganen (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Grundbuchamt und Prozessgericht) vor Beginn der Zwangsvollstreckung zu prüfen. Unterhaltsbeschlüsse nach dem FamFG sind im Regelfall gem. § 120 Abs. 1 FamFG nach den Vorschriften der ZPO zu vollstrecken, weshalb § 750 Abs. 1 ZPO anzuwenden und Klausel und Zustellung nachzuweisen sind (AG Hannover, DGVZ 2010, 237). Auch ein Vergleich vor dem Familiengericht bedarf grundsätzlich der Klausel. Von diesem Erfordernis ist der Vollstreckungsgläubiger nur dann gemäß § 86 Abs. 3 FamFG freigestellt, wenn er sich mit seinem Antrag an das Gericht der Hauptsache zu wenden hat, das den Bestand und die Wirksamkeit des Titels anhand der bei ihm noch geführten oder verwahrten Akten prüfen kann (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2016, 1960). Maßnahmen der Zwangsvollstreckung erfordern bei einem Vergleich, der durch schriftlichen Vorschlag des Gerichts gem. § 106 Satz 2 VwGO zustande gekommen ist, die vorherige Zustellung einer Ausfertigung des Vergleichs an den Vollstreckungsschuldner mit dem Zusatz, dass der förmliche Vergleichsvorschlag des Gerichts durch die schriftlichen Erklärungen der Beteiligten angenommen worden ist (Bayerischer VGH, NVwZ-RR 2016, 679).

 

Rz. 3

In § 750 ZPO sind andererseits nicht alle vom Vollstreckungsorgan regelmäßig zu überprüfenden allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen angesprochen (Schuschke/Walker, § 750 Rn. 2). Die Bestimmung geht davon aus, dass jedes der Vollstreckungsorgane zunächst prüft, ob ein wirksamer Vollstreckungsauftrag zu der konkreten Vollstreckungsart vorliegt, ob die als Vollstreckungsgrundlage bezeichnete und vorgelegte Urkunde generell und ihrem konkreten Inhalt nach als Vollstreckungstitel in Betracht kommt und ob der Titel, soweit das nach den gesetzlichen Bestimmungen erforderlich ist, mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist (BGHZ 212, 264; LG Tübingen, Beschluss v. 20.2.2020, 5 T 38/20, juris; LG Tübingen, Beschluss v. 16.6.2020, 5 T 122/20, juris). Erst danach wird die Identität des die Zwangsvollstreckung beantragenden Gläubigers und des nach der zu vollstreckenden Urkunde in Anspruch zu nehmenden Schuldners sowie die Zustellung des Titels und gegebenenfalls der sonstigen Urkunden (Abs. 2) an den Schuldner geprüft.

3 Allgemeine Prüfung des zu vollstreckenden Titels

 

Rz. 4

Die zu vollstreckende Ausfertigung des Titels ist bereits bei der Klauselerteilung daraufhin überprüft worden, ob sie sowohl generell als auch ihrem konkreten Inhalt nach als Volls...

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