1 Grundsatz – Zweck

 

Rz. 1

Eine weitere vollstreckbare Ausfertigung i. S. d. Bestimmung liegt dann vor, wenn deren Erteilung zur Folge hat, dass von demselben Vollstreckungstitel über denselben Anspruch (im prozessualen Sinne) zur selben Zeit mehrere vollstreckbare Ausfertigungen im Umlauf sind (OLG Hamm, Rpfleger 1988, 508). Die Bestimmung soll den Schuldner gegen die mehrfache Zwangsvollstreckung aus demselben Titel schützen (Stein/Jonas/Münzberg, § 733 Rn. 1). Könnte der Gläubiger nämlich beliebig viele vollstreckbare Ausfertigungen verlangen und – ohne Weiteres – erhalten, bestünde trotz der Bestimmung des § 757 ZPO die Gefahr, dass der Schuldner wegen einer titulierten Forderung mehrfach auf Erfüllung in Anspruch genommen würde (OLG Saarbrücken, MDR 2008, 48 = Rpfleger 2007, 673; OLG Hamm, FamRZ 1998, 640; OLG Stuttgart, Rpfleger 1995, 220). Ihm bliebe dann immer, und jeweils nur, der Weg über die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO.

 

Rz. 2

Kein Fall der Vorschrift liegt vor, wenn auf die gleiche Ausfertigung eine neue – z. B. qualifizierte – Klausel gesetzt wird. Im Gegenteil. Damit der Gläubiger nicht zwei Titel in den Händen hat, muss er die vollstreckbare Ausfertigung, so sie schon einmal erteilt ist, zur Erteilung der qualifizierten Klausel (z. B. bei Rechtsnachfolge) zurückreichen. Sie wird dann auf den bisherigen Titel gesetzt oder an ihn angeheftet. Die Bestimmung setzt voraus, dass jedenfalls die theoretische Möglichkeit besteht, dass gegen denselben Schuldner mehr als eine vollstreckbare Ausfertigung "in Umlauf" ist. Wenn sich eine vollstreckbare Ausfertigung in den Akten befindet, ist dies kein Fall der Vorschrift. Deshalb ist von der Bestimmung auch nicht der Fall betroffen, dass der Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung zurückgibt und die Ausstellung einer neuen verlangt, etwa weil die alte Ausfertigung unleserlich geworden ist.

2 Voraussetzungen und Verfahren

 

Rz. 3

Zuständig zur Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ist bei Urteilen und Prozessvergleichen der Rechtspfleger des für die erste Klauselerteilung zuständigen Gerichts nach § 20 Nr. 12 RPflG. Für die örtliche Zuständigkeit gilt § 724 Abs. 2 ZPO (BGH, NJW-RR 2006, 1575). Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 Abs. 3 ZPO). Für die Erteilung der weiteren Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheids ist der Rechtspfleger zuständig, der ihn erlassen hat (Zöller/Seibel, § 733 Rn. 11). Für die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung von notarielle Urkunden ist der die Urkunde verwahrende Notar oder, wenn die Urkunde von einer Behörde verwahrt wird, von dem Amtsgericht, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat, zu erteilen (§ 797 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

 

Rz. 4

Die Ausfertigung darf ohne weiteres erteilt werden, wenn die schon einmal erteilte zurückgegeben wird, sei es an den Schuldner, das Gericht oder auch an den Notar (Stein/Jonas/Münzberg, § 733 Rn. 2). Im Übrigen prüft der Rechtspfleger, ob nach den Umständen des Einzelfalls eine neue Ausfertigung als weitere Ausfertigung erteilt werden kann. Das setzt voraus, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung der ersten Klausel (§ 724 ZPO) vorliegen (Zöller/Seibel, § 733 Rn. 12). Denn ungeachtet der weiteren anzunehmenden Voraussetzungen kann eine weitere vollstreckbare Ausfertigung eines Vergleichsbeschlusses (§ 278 Abs. 6 ZPO) nicht erteilt werden, wenn lediglich Verpflichtungen aus dem Vergleich noch nicht erfüllt sind, die keinen hinreichenden vollstreckbaren Inhalt haben (LAG Berlin-Brandenburg, LAGE § 733 ZPO 2002 Nr. 1). Alsdann ist zu prüfen, ob der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Erteilung glaubhaft gemacht hat (OLG Düsseldorf, MDR 2013, 427 = Rpfleger 2013, 283) und ob nicht überwiegende Interessen des Schuldners der Erteilung der Klausel entgegenstehen (LG Hagen, Rpfleger 2013, 284; OLGR Celle, 2009, 357 = MDR 2009, 827). Zur Glaubhaftmachung i. S. d. § 294 ZPO kann eine anwaltliche Erklärung bzw. Versicherung des Sachverhalts ausreichen (OLG München, FamRZ 2013, 485). Dabei darf die Erteilung nicht ohne weiteres mit der Begründung abgelehnt werden, der Schuldner werde durch die drohende "Doppelvollstreckung" gefährdet, denn eine solche abstrakte Gefahr besteht bei jeder Erteilung einer weiteren Ausfertigung. Das Vollstreckungsorgan hat vielmehr eine umfassende Prüfung unter der Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und einer Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner vorzunehmen. In der Rechtsprechung haben sich Fälle herausgebildet, in denen von einem berechtigten Interesse des Gläubigers an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ausgegangen wird.

Dies sind im Wesentlichen folgende Fallgruppen:

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