Rz. 2

Durch die Verweisung auf § 707 ZPO ist im Falle der Berufung gegen ein für vorläufig vollstreckbares Urteil die Einstellung der Zwangsvollstreckung unter den Voraussetzungen des § 707 ZPO möglich (vgl. die Ausführungen zu § 707 ZPO). Neben dem Antrag des Schuldners ist Zulässigkeitsvoraussetzung eine statthafte Berufung und ein Rechtsschutzinteresse. Antragsberechtigt ist der Schuldner, der die Berufung eingelegt hat. Hat der Gegner Anschlussberufung eingelegt, ist auch er antragsberechtigt. Der Antrag kann erst gestellt werden, wenn tatsächlich gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt wurde. Die Berufung muss sich gegen ein für vorläufig für vollstreckbar erklärtes Urteil wenden. Deshalb sind Urteile, die mit der Verkündung rechtskräftig werden aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Ob das Urteil im Einzelfall einen vollstreckbaren Inhalt hat, ist ohne Bedeutung, weil dem Schuldner nicht zugemutet werden kann, einen Vollstreckungsversuch des Gläubigers abzuwarten (MünchKomm/ZPO-Götz, § 719 Rn. 3). Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist der Antrag nicht zulässig (OLG Düsseldorf, JMBINW 1970, 326). Grundsätzlich steht dem Antrag in der Berufungsinstanz nicht entgegen, dass in erster Instanz kein Antrag nach § 712 ZPO gestellt worden ist (anders als in der Revisionsinstanz; OLG Frankfurt, Beschluss v. 6.2.2017, 2 U 174/16 – Juris; MDR 2013, 924). Wird der Antrag allein mit Umständen begründet, die schon in der ersten Instanz vorlagen, dort einen Antrag nach § 712 ZPO, der unterblieben ist, gerechtfertigt hätten, ist er ebenfalls unzulässig, da er darauf hinausliefe, außerhalb der Regelung des § 718 ZPO den unterbliebenen Antrag nachzuholen (h. M. OLG Frankfurt/Main, Beschluss v. 23.8.2011 – 11 U 68/11; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 1165; OLG Köln, InVo 1997, 167 = JurBüro 1997, 553; OLG Frankfurt/Main, NJW 1984, 2955; NJW-RR 1986, 486; a. A. OLG Hamburg, Beschluss v. 21.12.2012, 3 U 96/12; KG NJOZ 2005, 771; Thüringer OLG, JurBüro 2002, 271; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 202; MünchKomm/ZPO-Götz, § 719 Rn. 6; Zöller/Herget, § 719 Rn. 3). Das gilt auch für einen Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG (OLG Hamm, FamRZ 2011, 1678). Der Antrag hat die begehrte Maßnahme näher zu bezeichnen. Die Tatsachen, auf die sich der Antragsteller zur Begründung seines Antrags bezieht, sind glaubhaft zu machen (§ 714 Abs. 2 ZPO). Ein Antrag an das Beschwerdegericht, die Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des Amtsgerichts gem. § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG einzustellen, ist auch dann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig, wenn in erster Instanz ein Antrag nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht gestellt worden ist (OLG Frankfurt, FamRZ 2016, 76; NJW-RR 2015, 519; OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, 870; OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 866; OLG Hamburg, FamRB 2012, 279 und OLG Bremen, FamRZ 2011, 322; entgegen OLG Frankfurt, 22.2.2011, 3 UF 460/10, NJW-RR 2011, 1303, OLG Frankfurt, FoVo 2015, 75). Für die Einstellung der Vollstreckung von Unterhaltsrückständen reicht die Darlegung des endgültigen Verlustes an den nach Verbrauch zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2015, 1741).

 

Rz. 3

Der Antrag ist auch dann zulässig, wenn der Gläubiger seinerseits nur gegen Sicherheitsleistung vollstrecken und der Schuldner eine Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO durch Sicherheitsleistung verhindern kann (HansOLG Hamburg, NJW-RR 1990, 1024). Auch die Tatsache, dass der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem nämlichen Urteil bereits geleistet hat, hat keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Antrags, da der Schuldner ein Interesse daran haben kann, die Leistung nach der Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzufordern (OLG München, MDR 1985, 1034).

 

Rz. 4

Die Entscheidung über Ob und Wie der Einstellung der Zwangsvollstreckung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dabei hat es die widerstreitenden Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Wertungen des Gesetzgebers sorgfältig gegeneinander abzuwägen (vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, § 719 Rn. 6). Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber in den §§ 708 ff ZPO getroffenen Regelungen gebührt dem Gläubiger – gleichermaßen bei Einlegung von Berufung oder Einspruch – im Grundsatz der Vorrang (OLG Frankfurt, NJOZ 2017, 1726; OLG Düsseldorf, WuW 2016, 188; OLG Karlsruhe, MittdtPatA 2016, 557). Das Berufungsgericht hat die Begründung abzuwarten (OLGR Bremen, 2008, 533 = MDR 2008, 1065). Es hat vorweg Zulässigkeit und Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu prüfen und schließlich bei seiner Entscheidung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Beweisantizipation ist im Rahmen der Ausübung des Ermessens zulässig. Zu berücksichtigen ist auch das Interesse des Gläubigers, den Titel nun – nach Abschluss der ersten Instanz – zügig und ohne Zeitverlust vollstrecken zu dürfen. Weiter hat es die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels des Schuldners in die Erwägungen mit ...

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