Leitsatz

Rechtsanwälte, die im Arbeitsrecht Gewerkschaftsmitglieder vertreten, sollten ihre Mandanten darüber aufklären, dass sie i.d.R. keine Prozesskostenhilfe erhalten. Der Grund: Sie können gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

 

Sachverhalt

Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, zur Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellt nach einer Entscheidung des BAG Vermögen i.S.d. § 115 ZPO dar, solange die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Einzelfall der Vermögenseinsatz unzumutbar ist. Dies kann bei einer erheblichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Gewerkschaft und ihrem Mitglied der Fall sein, betonten die Bundesarbeitsrichter.

In dem entschiedenen Fall war einem Gewerkschaftsmitglied fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt worden. Deshalb schaltete er zunächst den gewerkschaftlichen Rechtsschutz ein, der ihn auch in der Güteverhandlung vertrat. Danach beauftragte er einen Rechtsanwalt, woraufhin der gewerkschaftliche Rechtsvertreter das Mandat niederlegte. Am Ende half das alles nichts: Der Arbeitnehmer verlor gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 10.000 EUR seinen Arbeitsplatz. Während das ArbG dem PKH-Antrag grünes Licht gab, lehnten es die weiteren Instanzen auf Beschwerde der Staatskasse hin ab, die Rechtsanwaltskosten zu übernehmen.

Mitglieder von Gewerkschaften und Verbänden mit Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch die Gewerkschaft oder den Verband werden durch die Verweisung auf die Inanspruchnahme dieses Rechtsschutzes auch nicht schlechter gestellt als Nicht-Organisierte, die sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, betonte das BAG. Der Gesetzgeber habe in § 11 Abs. 1, 2 und 4 ArbGG bis zur Ebene der Landesarbeitsgerichte eine Vertretung durch Verbands- oder Gewerkschaftsangestellte ohne Befähigung zum Richteramt einer solchen durch Rechtsanwälte gleichgestellt. "Danach war es dem Kläger als Gewerkschaftsmitglied zuzumuten, den ihm zustehenden kostenlosen gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die Würdigung des LAG, das Vertrauensverhältnis des Klägers zu seinem gewerkschaftlichen Prozessvertreter sei nicht hinreichend zerrüttet, ist frei von Rechtsfehlern", entschieden die Bundesarbeitsrichter.

Das LAG hatte angenommen, die bloße Behauptung des Klägers, er habe kein Vertrauen mehr in die Beratung durch den Vertreter der Gewerkschaft gehabt, weil er sich auf dessen Rat nicht habe verlassen können und ihm keine Begründung dafür gegeben worden sei, warum die Prozessaussichten nach dem Gütetermin – anders als vorher – negativ einzuschätzen gewesen seien, genüge zur Darlegung der Unzumutbarkeit, sich weiterhin durch die Gewerkschaft vertreten zu lassen, nicht.

Diese Würdigung des LAG sei nicht zu beanstanden. Das LAG ist davon ausgegangen, dass aufgrund des Verlaufs des Gütetermins und des dortigen Vorbringens der Beklagten die Prozesschancen möglicherweise anders einzuschätzen waren als zuvor und dass es gegebenenfalls Sache des Klägers gewesen wäre, eine weitere Begründung für die gegebene Prognose zu verlangen oder bei der Gewerkschaft um die Vertretung durch einen anderen Gewerkschaftssekretär nachzusuchen.

 

Link zur Entscheidung

BAG, Beschluss v. 5.11.2012, 3 AZB 23/12.

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