BGB §§ 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2, 573 Abs. 1
- Durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB hat der Gesetzgeber die gesetzliche Fiktion geschaffen, dass im Falle einer rechtzeitigen Schonfristzahlung oder Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle die zuvor durch eine wirksam erklärte fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) bewirkte Beendigung des Mietverhältnisses rückwirkend als nicht eingetreten gilt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB entfallen damit nicht nur für die Zukunft die durch die fristlose Kündigung ausgelösten Räumungs- und Herausgabeansprüche, sondern das Mietverhältnis ist als ununterbrochen fortstehend zu behandeln.
- Ein Vermieter, der eine fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) hilfsweise oder vorsorglich mit einer ordentlichen Kündigung (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) verknüpft, bringt bei der gebotenen Auslegung seiner Erklärungen zum Ausdruck, dass die ordentliche Kündigung in allen Fällen Wirkung entfalten soll, in denen die zunächst angestrebte sofortige Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund einer – entweder schon bei Zugang des Kündigungsschreibens gegebenen oder nachträglich gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB (unverzügliche Aufrechnung durch den Mieter) oder gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB (Schonfristzahlung oder behördliche Verpflichtung) rückwirkend eingetretenen – Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fehlgeschlagen ist.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Der Vermieter kündigte das mit dem Mieter bestehende Mietverhältnis über eine 1-Zimmer-Wohnung wegen Zahlungsverzugs fristlos. Daneben erklärte der Vermieter "rein vorsorglich und hilfsweise" eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Mieter hat den Rückstand innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB bezahlt.
Das Amtsgericht hat den Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Zwar sei die außerordentliche fristlose Kündigung aufgrund der nachträglichen Zahlung des Rückstands unwirksam geworden; gleichwohl sei das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung beendet worden, weil die Heilungswirkung nur die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zur Folge habe. Auf die Berufung des Mieters wies das Landgericht (Berlin) die Räumungsklage ab.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf.
1. Wie die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigungserklärung wirkt
Bei einem Zahlungsverzug erklärt der Vermieter in der Praxis in erster Linie eine außerordentliche und "hilfsweise" ("fürsorglich") eine ordentliche Kündigung. Mit der gestaffelten Kündigung will der Vermieter erreichen, dass die ordentliche Kündigung geprüft wird, wenn sich die außerordentliche Kündigung – gleich aus welchen Gründen – als unwirksam erweist.
Nach der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht kann der Vermieter dieses Ziel nicht erreichen: Nach seiner Ansicht hat die fristlose Kündigung zur Folge, dass das Mietverhältnis mit dem Zugang der Kündigung beendet wird. Die ordentliche Kündigung gehe damit "ins Leere", weil ein bereits beendetes Mietverhältnis nicht noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt beendet werden kann. Die ordentliche Kündigung muss nach dieser Ansicht nach dem Zeitpunkt des Unwirksamwerdens der fristlosen Kündigung wiederholt werden, was voraussetzt, dass zu diesem Zeitpunkt ein noch bestehender Kündigungsgrund vorliegt. Dies sei – wegen der zwischenzeitlich erfolgten Tilgung des Rückstands – aber nicht der Fall (LG Berlin, ZMR 2018 S. 39 m. Anm. Häublein/Lehmann-Richter, ZMR 2018, S. 43 und Anm. Beyer, GE 2018, S. 174; s. auch C. Kunze/Kroll, MietRB 2018, S. 150).
2. Gestaffelte Kündigungserklärung möglich
Der BGH teilt diese Auffassung nicht.
Nach seiner Ansicht bringt der Vermieter mit dem Ausspruch der gestaffelten Kündigung "regelmäßig zum Ausdruck, dass die ordentliche Kündigung auch dann zum Zuge kommen soll, wenn die zunächst wirksam erklärte fristlose Kündigung aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Umstands (§ 543 Abs. 2 Satz 3 BGB [unverzügliche Aufrechnung], § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB [Schonfristzahlung oder Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle]) nachträglich (rückwirkend) unwirksam wird".
Eine davon abweichende Auslegung der Kündigungserklärung sei nur dann angezeigt, wenn hierfür belastbare Anhaltspunkte bestehen. Die rechtsdogmatischen Erwägungen des Berufungsgerichts betreffend das Verhältnis von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung erachtet der BGH für unzutreffend: Mit der Zahlung des Mietrückstands werde die fristlose Kündigung mit Wirkung ex tunc unwirksam. Dies habe zur Folge, dass im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung wieder ein Mietverhältnis vorliege, das im Wege der ordentlichen Kündigung beendet werde (so bereits Beyer, GE 2018, S. 174; C. Kunze/Kroll, MietRB 2018, S. 150).
3. Ordentliche Kündigung treuwidrig?
Der BGH hat das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Das Gericht müsse prüfen, ob die hilfsweis...
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