Syndikusanwälte waren nach der bislang geltenden Doppelberufstheorie nur insoweit anwaltlich tätig, als sie neben ihrem Arbeitsverhältnis mit einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber noch als niedergelassener Anwalt tätig waren. Dagegen war die Tätigkeit, die der Syndikus im Unternehmen oder Verband für seinen nichtanwaltlichen Dienstherrn leistete, wegen der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers mit der anwaltlichen Unabhängigkeit des Anwalts unvereinbar. Diese berufsrechtliche Ausgangslage wurde von den Unternehmens- und Verbandsjuristen weitgehend so lange akzeptiert, wie die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) sie bei Vorliegen einer anwaltstypischen Syndikustätigkeit (sog. Vier-Kriterien-Theorie) von der Rentenversicherungspflicht befreite. Nachdem das BSG mit drei Entscheidungen vom 3.4.2014 (s. insbesondere BSGE 115, 267 = NJW 2014, 2743) dieser Befreiungspraxis abrupt den Boden entzog und es letztlich in konsequenter Fortschreibung der Doppelverpflichtungstheorie ablehnte, die abhängige Beschäftigung im Unternehmen oder Verband und eine daneben ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung zusammenzuziehen, kam es zu einem breiten rechtspolitischen Aufstand der Unternehmens- und Verbandsjuristen, der letztlich erfolgreich war.

Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015 (BGBl I, S. 2517) hat der Gesetzgeber bereits zum 1.1.2016 eine Bewältigung der Folgen der BSG-Urteile und für die knapp 40.000 Unternehmens- und Verbandsjuristen eine Lösung erreicht, die eine lückenlose Versorgungsbiographie in den anwaltlichen Versorgungswerken ermöglicht (Einzelheiten bei Henssler/Deckenbrock DB 2016, 215 ff.; Huff ZAP F. 23, 1045 ff.). Nach den neu gestalteten §§ 46 ff. BRAO kann der Unternehmens-/Verbandsjurist für die rechtliche Beratung und Vertretung des nichtanwaltlichen Arbeitgebers eine Zulassung als sog. Syndikusrechtsanwalt erreichen; eine – daneben ausgeübte – Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt ist für die Zulassung nicht nötig, bleibt aber möglich. Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und für die Anerkennung einer anwaltlichen Tätigkeit ist, dass das Arbeitsverhältnis (1) durch die Prüfung von Rechtsfragen sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, (2) die Erteilung von Rechtsrat, (3) die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen oder auf die Verwirklichung von Rechten und (4) die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, geprägt ist und dass der Jurist seine Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausüben kann. Hieran fehlt es, wenn ein Unternehmensjurist weisungsgebunden rechtliche Sachverhalte prüft und anhand unternehmensinterner Vorgaben entscheidet, wie dies etwa bei einem Schadenssachbearbeiter einer Versicherung regelmäßig der Fall ist.

Der Syndikusrechtsanwalt ist Rechtsanwalt; er ist an die anwaltlichen Berufspflichten wie vor allem die Verschwiegenheitspflicht gebunden und kann sich auf das zivilprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Praktische Erfahrungen aus der Syndikustätigkeit sind nunmehr auch für die Verleihung eines Fachanwaltstitels berücksichtigungsfähig. Eine vollständige Gleichstellung des Syndikusrechtsanwalts mit dem niedergelassenen Rechtsanwalt ist allerdings ausgeblieben. So kommt der Syndikusrechtsanwalt (und damit auch sein Arbeitgeber) nicht in den Genuss der sog. legal privileges; zur Sicherung der Effektivität der Strafverfolgung und aus Sorge, dass Beweismittel zum Syndikusrechtsanwalt verschoben werden könnten, hat der Gesetzgeber ihm damit etwa nicht das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht und die Beschlagnahmefreiheit zugestanden. Anders als der niedergelassene Rechtsanwalt muss der Syndikusrechtsanwalt keine Berufshaftpflichtversicherung abschließen; als Arbeitnehmer profitiert er vielmehr vom sog. Arbeitnehmerhaftungsprivileg. Zum Schutz der Waffengleichheit im Prozess dürfen Syndikusrechtsanwälte für ihren Arbeitgeber nicht in zivil- oder arbeitsgerichtlichen Verfahren auftreten, soweit Anwaltszwang gegeben ist. Sie dürfen ihren nichtanwaltlichen Arbeitgeber in diesen Streitigkeiten jedoch in ihrer Rolle als niedergelassener Anwalt vertreten, müssen dann aber ihre Tätigkeit nach dem RVG abrechnen.

Die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Zulassung zur Syndikusrechtsanwaltschaft bindet zugleich die DRV Bund bei der Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Damit der Träger der Rentenversicherung insoweit nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird, ist er im Zulassungsverfahren anzuhören und kann sich gegen eine positive Zulassungsentscheidung der Kammer im Wege der Drittanfechtung wehren. Damit werden Streitigkeiten über die Befreiungsfähigkeit einer Tätigkeit künftig nicht mehr von den Sozial-, sondern den Anwaltsgerichten entschieden.

Die nächste Reform ...

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