Leitsatz

  • Besonderer Gerichtsstand für das Wohngeld-Inkassoverfahren gegen ausgeschiedene Eigentümer: Ort der Wohnanlage als gemeinsamer Leistungsort (Erfüllungsort)

    Auch Wohngeldzahlungspflicht "grundstücksbezogen"

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 28 Abs. 3 WEG, § 29 ZPO

 

Kommentar

1. Für Wohngeldansprüche auch gegen ausgeschiedene Eigentümer muss das zuständige Gericht nicht streitig im Rahmen einer richterlich zu bestimmenden Zuständigkeit (Kompetenzkonflikt im Sinne des § 36 ZPO) entscheiden, da für solche Ansprüche § 29 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 269 BGB gilt.

2. Das (schuldrechtliche) Verhältnis unter Wohnungseigentümern mit wechselseitigen Rechten und Pflichten begründet am Ort der Wohnanlage für Ansprüche aus diesem Gemeinschaftsverhältnis einen gemeinsamen Leistungsort und damit einen gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstand auch dann, wenn säumige Eigentümer bereits aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind. Der gemeinsame Leistungsort besteht hier dann, wenn eine der Leistungen so vertragscharakteristisch ist, dass sie das gesamte Rechtsverhältnis prägt (h.M.), besonders, wenn der vertragscharakteristischen Leistung eine starke Ortsbezogenheit zukommt. Auch für alle Verpflichtungen aus einem Bauvertrag gilt der Ort als Erfüllungsort, an dem das Bauwerk errichtet wird (h.M., vgl. BGH, NJW 86, 935); Gleiches gilt für den Ort der belegenen Sache für Streitigkeiten aus Miet- oder Pachtvertrag.

Dementsprechend liegt auch der Leistungsort für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander am Ort des Grundstücks, in dem die Eigentumswohnanlage belegen ist: Hier ist sowohl die Hauptverpflichtung der Gemeinschaft gegenüber dem einzelnen Eigentümer zu erfüllen (nämlich ungestörte Gebrauchsgestattung hinsichtlich des Sondereigentums und Gestattung des Mitgebrauchs am gemeinschaftlichen Eigentum), als auch diejenige des Eigentümers gegenüber der Gemeinschaft (Instandhaltung des Sondereigentums, gemeinschaftsverträgliche Nutzung, Duldung der für die Gemeinschaft notwendigen Einwirkungen auf Sonder- und gemeinschaftliches Eigentum); Gleiches gilt allerdings auch für die eigentümerseits geschuldeten Beiträge zu den Kosten und Lasten; auch diese Zahlungs-Verpflichtungen sind grundstücksbezogen; sie sollen den Betrieb und die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ermöglichen, da andernfalls ohne solche Beträge auf Dauer auch keine Nutzungen mehr möglich wären.

3. Diese Auffassung wird bestätigt auch durch die Wertung des § 51 WEG, wonach für die Eigentumsentziehungsklage ( § 18 WEG) das AG der belegenen Sache ausschließlich zuständig ist, sowie vor allem durch die Gerichtsstandsregel des § 43 Abs. 1 WEG, wonach solche Streitigkeiten bei fortwährender Miteigentümerstellung das Gericht der belegenen Sache zu entscheiden hat. An dieser gesetzlichen Wertung ändert sich auch dann nichts, wenn die Wohnungseigentümer vor Rechtshängigkeit der Sache aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.01.2000, 8 AR 28/99= ZMR 5/2000, 336)

zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren

Anmerkung:

Mit dieser Entscheidung ist aus meiner Sicht überzeugend klargestellt, dass auch Wohngeldansprüche gegen säumige Ex-Eigentümer (z.B. nach wie vor auf der Basis eines bisher genehmigten Wirtschaftsplans trotz nachfolgender Abrechnungsgenehmigung, soweit nicht ein Abrechnungsergebnis Vorauszahlungsschulden nach Wirtschaftsplan eliminiert hat) am Gericht des Ortes der Wohnanlage einzuklagen sind. Zu beachten ist jedoch, dass hier die Klage vor dem Prozessgericht (ordentlichen Zivilgericht) zu erheben ist, nicht vor dem Wohnungseigentumsgericht (so die bisher herrschende Rechtsmeinung im Anschluss an frühere BGH-Entscheidungen); allerdings wird neuerlich in der Literatur verstärkt die Mindermeinung vertreten (wie von mir bereits seit langem gefordert), dass in solchen Streitigkeiten gegen ausgeschiedene Eigentümer ebenfalls die wohnungseigentumsrechtliche Gerichtszuständigkeit bejaht werden sollte, da auch bei solchen Ansprüchen der "innere Zusammenhang" mit dem Wohnungseigentumsrecht und der Stellung des Schuldners als früherem Eigentümer eine solche "sachnahe" Zuständigkeit dringend erfordern, der allgemeine Streitrichter in diesen thematisch speziell wohnungseigentumsrechtlichen Fragen häufig auch fachlich überfordert sein dürfte. Insbesondere Rau, auch in seinen Entscheidungen des AG Kerpen, hat deshalb zuletzt auch für solche Ansprüche gegen ausgeschiedene Eigentümer die wohnungseigentumsgerichtliche Zuständigkeit bejaht (entgegen bisher verfestigter BGH-Meinung).

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