Eine Zwangsvollstreckung zur Herausgabe der Räume kann selbst dann, wenn damit eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, vom Gericht nicht ohne Weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Auch der Gefährdete selbst ist gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern.[1]

 
Praxis-Beispiel

Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung

Die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses im Zwangsversteigerungsverfahren ist wegen einer konkreten Lebensgefahr für den Schuldner zumindest für einen befristeten Zeitraum von 6 Monaten gerechtfertigt, wenn die dem Schuldner aufgegebene Behandlung frühestens nach einer Behandlungsdauer von 1 Jahr erfolgreich sein kann.

Der Gläubiger (hier: Ersteigerer) eines auf vollständige Räumung gerichteten Titels braucht sich grundsätzlich nicht darauf verweisen zu lassen, Pläne zu entwerfen bzw. realisieren zu lassen, wonach ein Verbleiben des Räumungsschuldners im Objekt in abgetrennten Räumen möglich wird.

Erfordert die neurotische Störung des Räumungsschuldners einen längeren Zeitraum, damit überhaupt mit einem stabilen Behandlungserfolg gerechnet werden kann, stellt es keinen Rechtsfehler des Vollstreckungsgerichts dar, wenn es in Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen weiteren Vollstreckungsschutz gewährt. Allerdings hat das Vollstreckungsgericht das konkrete Verhalten des Schuldners mit in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen, ob und mit welcher Nachhaltigkeit der Schuldner das ihm Zumutbare – auch ärztlich verordnete – unternimmt, sein der Vollstreckung gegenwärtig entgegenstehendes Krankheitsbild zu verbessern.[2]

[2] BGH, Beschluss v. 20.1.2011, I ZB 27/10, NJW-RR 2011 S. 300.

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