Leitsatz

Erneut bestätigt: Direkter Anspruch der Gemeinschaft gegen einen gewerblichen Mieter auf Unterlassung zweckbestimmungswidriger Nutzung

 

Normenkette

§ 10 WEG, § 15 WEG, § 1004 BGB

 

Kommentar

1. Gestattet ein vermietender Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer seinem Mieter eine von dem Inhalt der Teilungserklärung abweichende, die anderen Wohnungseigentümer störende Nutzung, haben diese unmittelbar gegen den störenden Mieter einen Abwehranspruch aus § 1004 BGB, ohne eine nach § 906 BGB nicht mehr hinzunehmende Überschreitung der Nutzung nachweisen zu müssen. Dies folgt daraus, dass die anderen Eigentümer zur Duldung störender und vereinbarungswidriger Nutzungen auch dann nicht verpflichtet sind, wenn der vermietende Wohnungseigentümer seinem Mieter mehr an Rechten eingeräumt habe, als ihm selbst im Verhältnis zu den anderen Eigentümern zustehe (ebenso OLG München, NJW-RR 92, 1492 = ZMR 92, 307 und Weitnauer, 7. Aufl., § 15 Rdn. 40 und Anhang § 13 Rdn. 4).

2. Die Nutzung eines Sondereigentums als "Pizza-Imbißstube", das in der Teilungserklärung als "Ladenlokal" zweckbestimmt wurde, stellt eine störendere Nutzungsart für die restlichen Eigentümer dar als eine übliche Ladennutzung. Wenn auch vorliegend die Nutzung als Pizza-Imbißstube zwar nicht als Gaststätte im eigentlichen Sinn angesehen werden kann (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, OLG Z 85, 397), werden dennoch durch den Pizza-Imbiß-Betrieb Ladenschlußzeiten nicht eingehalten, was für die Wohnungseigentümer länger andauernden Publikumsverkehr insbesondere auch am Wochenende und an den Abenden mit damit unweigerlich verbundenen Geräuschentwicklungen bedeutet. Aufgrund auch nicht vorhandener Entlüftungen der Imbißstube (es wird durch die Eingangstüre entlüftet) entstehen auch intensivere Geruchseinwirkungen gegenüber einem Ladenlokal.

Die Unterlassungsansprüche der Eigentümer erscheinen auch nicht unbillig, da der Mieter mietrechtliche Konsequenzen bis hin zum Schadenersatz gegen seinen Vermieter geltend machen könne, wenn ihm dieser den mietvertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht gewährleistet, selbst wenn dem Vermieter seinerseits kein Kündigungsrecht gegenüber dem Mieter zustehen sollte (auch im vorliegenden Fall blieb die Räumungsklage des Vermieters ohne Erfolg). Es geht jedoch nicht an, dass die betroffenen Miteigentümer Beeinträchtigungen ihres Eigentums u. U. auf Jahre hinaus in Kauf zu nehmen hätten, wenn sie nicht den zweckwidrig nutzenden Mieter unmittelbar aus § 1004 BGB in Anspruch nehmen könnten.

Auch eine weniger belastende Verurteilung dahingehend, die Pizza-Imbißstube in zeitlich eingeschränktem Umfang weiter zu betreiben, könne nicht in Betracht kommen, weil auch eine erweiterte Nutzungsart als solche störender sei, als die in der Teilungserklärung vereinbart vorgesehene (Ladennutzung), so dass ein Weiterbetrieb beispielsweise beschränkt auf die gesetzlichen Ladenschlußzeiten immer noch als störendere bzw. beeinträchtigendere Nutzungsart angesehen werden müsste.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.1993, 6 U 49/93= NJW-RR 3/1994, 146).

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Auch diese Entscheidung bestätigt erneut die Rechtsprechung des OLG München (vgl. OLG München, Entscheidung vom 25.02.1992, 25 U 3550/91) und die diesseits stets vertretene Auffassung, mag sie auch vordergründig Mieterschutzinteressen zuwiderlaufen; es setzt sich damit zunehmend die Meinung durch, dass eben ein Mieter (Pächter) nicht mehr Rechte haben könne, als ein Eigentümer und diese Rechtstatsache auch nicht zu Lasten der restlichen Miteigentümer durch vielleicht langfristige vereinbarungswidrige Miet- bzw. Pachtvertragsabschlüsse sozusagen unterlaufen werden kann. Ein geschädigter Mieter hat hier allein aus seinem Mietvertragsverhältnis gegen seinen Vermieter Regressansprüche bis hin zur fristlosen Kündigungsmöglichkeit, u. U. besitzt er auch Schadenersatzansprüche bei zwangsweiser Beendigung eines Mietverhältnisses von dritter Seite. Ich betone deshalb nochmals, dass sich gerade gewerbliche Mieter vor Abschluß eines Mietvertrages und evtl. anstehender Investitionen in einem Teileigentum Kenntnis darüber verschaffen sollten, ob ihr potentieller Vermieter und Vertragspartner überhaupt eigentumsrechtlich in der Lage ist, Räume zum beabsichtigten Nutzungszweck vermieten zu können; zumindest sollte sich der Mieter entsprechende ausdrückliche Zusicherungen vom Vermieter in vertraglich fixierter Weise geben lassen und die Nutzungsmöglichkeit auch zur Geschäftsgrundlage eines Mietvertrages machen. Daneben ist auch an mögliche öffentlich-rechtliche Genehmigungsrisiken u. behördliche Auflagen (Bauamt, Gewerbeamt, Gewerbeaufsichtsamt) und an mögliche Vereinbarungen zu denken, wer hier Kosten, Gebühren, Bauauflagen usw. zu tragen hat (Kosten- u. Risikoverteilung).

Vgl. zur verneinten Stehpizza in einem "Laden" auch Otto unter Hinweis auf OLG Düsseldorf v. 21.12.1992, WE 93, 304 sowie Merle, ZdWBay 94, 135.

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