Leitsatz

Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nummer 2 ZPO für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur dann vor, wenn die Kosten des Rechtsstreits weder von ihr noch von den Wohnungseigentümern aufgebracht werden können.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6; ZPO § 114, § 116 Satz 1 Nummer 2

 

Das Problem

  1. Die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B beantragt für ein Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe. Das Landgericht (LG) weist den Antrag zurück. B habe eine hinreichende Bedürftigkeit nicht dargetan. Denn einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne Prozesskostenhilfe nur unter den Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nummer 2 ZPO bewilligt werden.

    § 116 ZPO

    Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

    1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
    2. eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.

    § 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

    Für die Prüfung der Bedürftigkeit komme es folglich darauf an, dass weder die Gemeinschaft noch die wirtschaftlich Beteiligten die Kosten der Prozessführung aus ihrem Vermögen aufbringen könnten. Als wirtschaftlich Beteiligte seien bei einem Rechtsstreit über Zahlungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft die Wohnungseigentümer anzusehen, da sich dessen Ausgang auf deren finanzielle Situation auswirke. B habe aber nicht dargelegt, dass die Wohnungseigentümer ebenfalls nicht in der Lage seien, die Prozesskosten aufzubringen.

  2. Mit der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) verfolgt B ihren Prozesskostenhilfeantrag weiter. Ohne Erfolg!
 

Die Entscheidung

Die Voraussetzungen, unter denen einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Prozesskostenhilfe bewilligt werden könnten, lägen nicht vor.

 

Kommentar

  1. Gesichert sei, dass einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur nach der Bestimmung des § 116 Satz 1 Nummer 2 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt werden könne (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 17.6.2010, V ZB 26/10, NJW 2010 S. 2814 Rn. 6).
  2. Ob es bei der Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen allein auf deren Bedürftigkeit ankomme oder auch auf die der Wohnungseigentümer, sei hingegen umstritten. Nach einer Ansicht solle es nicht darauf ankommen, ob und in welchem Umfang einzelne Wohnungseigentümer in der Lage wären, Prozesskosten aufzubringen (Hinweis u.a. auf Meffert, ZMR 2007, S. 145). Nach anderer Ansicht sollen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Wohnungseigentümer (nur) mittelbar Berücksichtigung finden, indem die selbst mittellose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nur dann als bedürftig angesehen werde, wenn eine Sonderumlage in Höhe der voraussichtlichen Verfahrenskosten beschlossen worden sei und einzelne Wohnungseigentümer nicht in der Lage seien, den auf sie entfallenden Beitrag zu leisten (Hinweis auf Krumbügel, NZM 2010, S. 810, 813). Nach ganz herrschender Ansicht komme es hingegen sowohl auf die Verhältnisse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als auch auf diejenigen der Wohnungseigentümer an (Hinweis u.a. auf Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, Vor §§ 43ff. Rn. 64 und Schmid, ZMR 2010, S. 781, 782).
  3. Der Senat entscheide die Frage im Sinne der letztgenannten Ansicht. Dies folge aus der Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer. Diese hätten für einen ausgeglichenen "Etat" der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu sorgen. Gebe es Zahlungsausfälle bei Wohnungseigentümern, müssten die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer oder, wenn sich eine Finanzierungslücke während des laufenden Wirtschaftsjahrs auftue, durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden; die Wohnungseigentümer treffe insoweit eine "Nachschusspflicht", und zwar auch dann, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Verbraucherkreditvertrag schließe.
  4. Nichts anderes gelte, wenn die Finanzierungslücke dadurch entstehe, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Kosten eines Rechtsstreits bestreiten müsse, die im Wirtschaftsplan nicht berücksichtigt und daher von Beitragsleistungen der Wohnungseigentümer nicht gedeckt seien. Auch in diesem Fall hätten die Wohnungseigentümer die Finanzierungslücke durch geeignete Maßnahmen zu schließen, indem sie die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer etwa durch eine Sonderumlage, durch den Beschluss, dass die Gemeinschaf...

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