Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist für gemeinschaftsbezogene Pflichten kraft Gesetzes passiv prozessführungsbefugt.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG

 

Das Problem

  1. Grundstückseigentümer K verlangt von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B die Beseitigung eines Holzflechtzauns. Diesen Antrag erklärt K nach der Entfernung des Zauns in der Hauptsache für erledigt. B schließt sich dieser Erklärung nicht an. Sie meint, sie sei nicht "passivlegitimiert" (= die falsche Beklagte); außerdem sei der Anspruch verjährt.
  2. Das Amtsgericht stellt fest, dass sich der Antrag in der Hauptsache erledigt hat. Das Landgericht weist die Berufung der B zurück. K habe von B nach §§ 985, 1004 BGB die Entfernung des Zauns verlangen können. Verantwortlich für die Beseitigung einer Störung sei auch derjenige, der zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen verpflichtet sei. Das sei auch B. Sie nehme die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Der Anspruch sei begründet gewesen, weil sich der Zaun vollständig auf K's Grundstück befunden und es dafür keine Rechtfertigung gegeben habe. Der Anspruch sei auch nicht verjährt gewesen. Die Verjährungsfrist betrage unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsherausgabe gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB 30 Jahre. Mit der Revision möchte B weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
 

Die Entscheidung

B sei zur Beseitigung des Zauns verpflichtet gewesen. Die von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen trügen aber seine weitere Annahme nicht, der Anspruch sei nicht verjährt gewesen.

Anspruch auf Beseitigung des Zauns

  1. K habe gegen B nach § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Beseitigung des Zauns zugestanden. Die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB bei Entfernung des Zauns hätten vorgelegen. Das Aufstellen des Zauns auf dem Grundstück des K sei eine Eigentumsstörung gewesen, die K nicht zu dulden gehabt habe. Auf Beseitigung könne auch die B als Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Anspruch genommen werden.
  2. Grundlage für diese Haftung sei allerdings keine originäre eigene Verpflichtung. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei zwar nach § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG "Inhaberin" der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten oder rechtsgeschäftlich erworbenen Pflichten. Zu diesen gehörten aber nicht die Ansprüche von Nachbarn auf Beseitigung einer durch Maßnahmen auf dem Gemeinschaftsgrundstück eingetretenen Störung ihres Eigentums. Über die Benutzung und die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums entschieden nach §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 1 WEG die Wohnungseigentümer selbst, nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Diese sei zur Umsetzung der Beschlüsse verpflichtet und habe dabei keinen Entscheidungsspielraum. Störungen des Eigentums Dritter, zu denen es bei der Umsetzung der Beschlüsse komme, seien deshalb mangels eigenen Entscheidungsspielraums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Wohnungseigentümern zuzurechnen.
  3. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne aber deshalb auf Beseitigung in Anspruch genommen werden, weil die Pflicht zu seiner Beseitigung eine gemeinschaftsbezogene Verpflichtung sei, welche die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG kraft Gesetzes für diese "wahrnehme".
  4. Eine geborene Wahrnehmungskompetenz bestehe zwar nur, wenn die Verpflichtung sämtliche Wohnungseigentümer treffe (Hinweis auf BGH v. 8.2.2013, V ZR 238/11, ZfIR 2013 S. 511 Rn. 11). Das sei aber auch der Fall. Für das Revisionsverfahren sei zwar zu unterstellen, dass der Zaun durch einen Wohnungseigentümer errichtet worden sei und dass dem kein Beschluss zugrunde gelegen habe. Das ändere aber nichts daran, dass sämtliche Wohnungseigentümer nach § 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet gewesen seien, die Störung zu beseitigen. Störer sei nicht nur derjenige, der den störenden Zustand herbeigeführt habe, sondern auch derjenige, durch dessen maßgebenden Willen der die Eigentumsbeeinträchtigung herbeiführende Zustand aufrechterhalten werde. Das seien im Fall alle Wohnungseigentümer. Die Errichtung, Änderung oder Entfernung einer Einfriedung sei wegen ihrer besonderen Bedeutung für das einzufriedende und die benachbarten Grundstücke stets eine gemeinsame Angelegenheit. Eine Einfriedung grenze das einzufriedende von anderen Grundstücken ab. Sie kennzeichne den von ihr umschlossenen Raum als das befriedete Besitztum des Eigentümers und diene nicht zuletzt dem Schutz des eingefriedeten Grundstücks gegenüber einem ungewollten Einblick durch die Nachbarn und dem Schutz der Nachbarn vor Beeinträchtigungen, die für sie von dem eingefriedeten Grundstück ausgingen. Als Ausdruck der Sachherrschaft über das Grundstück sei die Errichtung, Veränderung und Entfernung einer Einfriedung eine Angelegenheit, über die der Eigentümer – bei einer "Eigentümermehrheit" alle gemeinsam – auch im Hinblick auf die Auswirkungen für den Nachbarn selbst entscheiden müsse.
  5. Gemeinschaftsbezogene Pflichten nehme die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 ...

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