Leitsatz

Es besteht eine Beschlusskompetenz für die Entscheidung, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Grundstück erwerben soll.

 

Normenkette

§§ 16 Abs. 2, 21 Abs. 7 WEG

 

Das Problem

  1. Bremer Wohnungseigentümer beschließen zum Zweck der Schaffung von 25 Pkw-Stellplätzen für 25 Wohnungseigentumsrechte, das Nachbargrundstück zu kaufen. Mit der Führung der Vertragsverhandlungen werden Verwalter V sowie 2 Wohnungseigentümer ermächtigt. Zugleich wird V ermächtigt, für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer alle zum Erwerb des Grundstücks erforderlichen Erklärungen im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung eines Kaufvertrags abzugeben. Außerdem wird eine Sonderumlage zur Finanzierung des Kaufpreises dergestalt beschlossen, dass 15 % des Kaufpreises von allen Miteigentümern nach Einheiten und 85 % des Kaufpreises von den Eigentümern der 25 Wohnungseigentumsrechte getragen werden, die einen Stellplatz erhalten sollen. V soll für den organisatorischen Aufwand eine Sondervergütung von 500 EUR erhalten.
  2. Wohnungseigentümer K geht gegen diese Beschlüsse vor. Er meint, der Erwerbs- und Ermächtigungsbeschluss sei nach § 311b Abs. 1 BGB nichtig. Wegen des formbedürftigen Grundgeschäfts habe auch die in dem Beschluss liegende Abschlussvollmacht der Form des § 311b BGB bedurft, da die Vollmacht jedenfalls faktisch als unwiderruflich anzusehen sei und für solche Vollmachten die Formfreiheit nach § 167 Abs. 2 BGB nicht gelte. Außerdem sei die Beschlusskompetenz für den Zukauf eines Grundstücks zu verneinen. Jedenfalls sei ein Grundstückszukauf nicht zulässig, wenn er – wie hier – zur Vermeidung einer Stellplatzabgabe und zur Schaffung von Parkraum notwendig sei. Dann müsse das Grundstück "durch allseitige Mitwirkung der Eigentümer" durch die Änderung der Teilungserklärung "dem Bestand der Wohnungseigentumsgemeinschaft einverleibt werden". Auch handle es sich bei dem Zukauf um eine bauliche Veränderung. Ungeachtet dessen entspreche der Zukauf auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil sich diverse bislang rechtlich ungeklärte Folgeprobleme stellten. Schließlich sei der damit verbundene Umlagebeschluss wegen Unbestimmtheit nichtig. Aus alledem resultiere, dass auch der Beschluss über die Sondervergütung des Verwalters keinen Bestand haben könne.
 

Die Entscheidung

  1. Die Beschlüsse sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden. Den Wohnungseigentümern habe nicht die erforderliche Beschlusskompetenz gefehlt. Wohnungseigentümer seien berechtigt, grundsätzlich den Erwerb eines Grundstücks durch die "Wohnungseigentümergemeinschaft als (teils-)rechtsfähigen Verband" beschließen.
  2. Der Erwerb des Nachbargrundstücks entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung, da das Grundstück für die Wohnungseigentumsanlage von Beginn an eine dienende und auf Dauer angelegte Funktion gehabt habe und diese mit dem Erwerb aufrechterhalten werden solle. Die benachbarte Fläche habe seit Errichtung der Wohnungseigentumsanlage als Parkplatz und – über die Baulast – zugleich der Erfüllung des nach öffentlichem Recht erforderlichen Stellplatznachweises gedient. Die Baulast gewähre den Wohnungseigentümern als Begünstigten weder einen Nutzungsanspruch noch verpflichte sie die Grundstückseigentümerin, die Nutzung zu dulden. Wenn sich die Wohnungseigentümer vor diesem Hintergrund zur Schaffung einer klaren Rechtsgrundlage für den Erwerb des Nachbargrundstücks durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entscheiden würden, entspreche dies ordnungsmäßiger Verwaltung.
  3. Auch der gewählte Umlageschlüssel, der sich an dem Nutzungsvorteil für den jeweiligen Wohnungseigentümer orientiere, sei nicht zu beanstanden.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Ich habe an dieser Stelle bereits zur Ausgangsinstanz, dem Urteil des Landgerichts in Bremen (LG Bremen v. 13.2.2015, 4 S 343/13), Stellung genommen. Die BGH-Entscheidung ist auf Basis der Pressemitteilung berichtet. Liegen die Gründe vor, kann Genaues berichtet werden.
  2. Vorerst sei daran erinnert, dass Hintergrund der Beschlüsse das öffentliche Baurecht war. Dieses sieht in der Regel vor, dass bei der Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage Stellplätze zu schaffen sind. Die Stellplätze können auf dem Baugrundstück oder in zumutbarer Entfernung davon auf einem geeigneten Grundstück hergestellt werden, dessen Benutzung für diesen Zweck öffentlich-rechtlich gesichert ist. So war es auch in diesem Fall. Der Bauträger hatte die Stellplätze zunächst in der Weise gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück zugunsten der Wohnungseigentümer eine Grunddienstbarkeit eingetragen worden war. Später hatte er diese allerdings wieder aufgehoben und zur Abwendung einer Stellplatzabgabe auf dem Nachbargrundstück eine öffentlich-rechtliche Baulast eintragen lassen, wonach die 25 Stellplätze den Wohnungseigentümern zur Verfügung standen. An diese Baulast hatte sich der Rechtsnachfolger des Bauträgers nicht gebunden gefühlt.
  3. Dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Grundeigentum erwerben kann, und zwar innerhalb, aber auch außerha...

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