Leitsatz

Ein Beschluss, der die Installation von Parabolantennen verbietet, ist "schwebend unwirksam".

 

Normenkette

§ 15 Abs. 2, Abs. 3 WEG; Art. 4 GG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K klagt gegen den iranisch-stämmigen Wohnungseigentümer B. Dieser soll nach Willen von K eine Parabolantenne auf seinem Balkon entfernen. Das AG gibt K's Klage statt. Der Anspruch auf Entfernung folge aus dem Gemeinschaftsverhältnis in Verbindung mit einem im Februar 2010 gefassten, wirksamen und bestandskräftigen Beschluss, der die Installation von Parabolantennen verbiete.
  2. Gegen dieses Urteil wendet sich der B. Er meint, der "Verbots-Beschluss" sei in Ermangelung einer Beschlusskompetenznichtig. Der Beschluss greife in seine Grundrechte auf Informations- und Religionsfreiheit ein, da er mit dem in der Wohnungseigentumsanlage vorhandenen Breitbandkabelnetz die Sender "IRIB I und IRIB II" sowie "Persian BBC" nicht empfangen könne. Die Sender "IRIB I und II" befassten sich mit religiösen Inhalten, auf die er wegen seines Glaubens größten Wert lege. Aufgrund der Sender "IRIB I und II" könne er insbesondere während der Fastenzeit spezielle Gebete und Waschungen im Fernsehen verfolgen und sich an den Gebeten beteiligen. Der Sender "Iran BBC" bringe ausgedehnte Sendungen über Politik in Farsi, worauf er auch besonderen Wert lege. Die im Breitbandkabelnetzvorhandenen Sender sendeten ausschließlich Kinofilme, an denen er kein Interesse hätte, Popmusik, die er weder hören noch sehen wolle, oder Informationen aus Afghanistan, zu denen er keinen Bezug habe.
 

Die Entscheidung

  1. Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne folge allerdings nicht aus einem Beschluss. Wohnungseigentümern sei ein Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums verwehrt. Sie könnten den wesentlichen Inhalt des Gebrauchs und der Nutzung von Wohnungseigentum nicht durch Beschluss einschränken (Hinweis auf BGH v. 22.1.2004, V ZB 51/03, BGHZ 157 S. 322 Rn. 32).
  2. Dieser Bereich sei bei einem Verbot der Aufstellung von Parabolantennen betroffen. Die eigene Wohnung sei typischerweise der Ort, von dem aus die Bewohner die Informationsangebote von Fernsehen und Hörfunk nutzten. Dort stünden diese Medien bequem zur Verfügung und könnten aufgrund freier Entscheidung ausgewählt und genutzt werden. Dieser Gebrauch des Wohnungseigentums sei nicht nur sozial üblich und "Teil der Zweckbestimmung der Wohnanlage", sondern nach allgemeinem Verständnis auch ein wesentliches Element des Gebrauchs einer Wohnung. Der BGH sei zwar davon ausgegangen, dass ein Beschluss, der in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift, zunächst nur schwebend unwirksam sei. Indem B die Befugnis für sich beanspruche, die Parabolantenne auf dem zu seinem Sondereigentum gehörenden Balkon behalten zu dürfen, habe er seine Zustimmung aber zumindest in konkludenter Weise verweigert. Aus der damit herbeigeführten endgültigen Unwirksamkeit zumindest gegenüber ausländischen Wohnungseigentümern ergebe sich entsprechend § 139 BGB die Unwirksamkeit des gesamten Verbots von Parabolantennen, selbst wenn – wegen der Programmangebote im Kabelnetz – eine wesentliche Nutzungsbeschränkung nur für Ausländer bejaht werden sollte.
  3. Gleichwohl stehe K ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG zu. Der in der Aufstellung der Parabolantenne auf dem Balkon liegende Gebrauch des Sondereigentums führe zu einem Nachteil, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe (§ 14 Nr. 1 WEG). Darauf, ob die Parabolantenne lediglich auf dem Balkon stehe oder am gemeinschaftlichen Eigentum verschraubt oder befestigt ist, komme es nicht an. Die Parabolantenne sei deutlich sichtbar. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Parabolantenne nicht an der Balkonbrüstung, sondern im unteren und hinteren Bereich des Balkons aufgestellt und ihre Farbe derjenigen der dahinterliegenden Hauswand ähnlich sei.
  4. Die Frage, ob der mit der Installation der Parabolantenne verbundene Nachteil das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß übersteige, sei allerdings aufgrund einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen zu beantworten (Hinweis auf BGH v. 22.1.2004, V ZB 51/03, BGHZ 157 S. 322 Rn. 20). Hierbei seien aufseiten von B neben seinem Eigentumsrecht vor allem die ihm zustehenden Grundrechte auf Informations- und Religionsfreiheit zu beachten. Dem stehe aufseiten der übrigen Wohnungseigentümer deren durch die Duldung einer solchen Antennenanlage berührtes Eigentumsrecht gegenüber. Dabei sei es in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, wenn einem Wohnungseigentümer zugemutet werde, die Kabelanlage statt einer (eigenen) Satellitenempfangsanlage zu nutzen, wenn auch durch den Kabelanschluss ausreichend Zugang zu Programmen in der Sprache des Wohnungseigentümers bestehe (Hinweis auf BVerfG v. 24.1.2005, 1 BvR 1953/00, NZM 2005 S. 252 zum Mietrecht).
  5. Dies zugrunde gelegt überwiege hier das Eigentumsinteresse ...

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