BGH sieht den Vorteil bei der Abtretung

Die Revision hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das OLG hat zu Recht angenommen, dass der vom Kläger erwirkte PfÜB hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Auszahlung der Ablaufleistungen ins Leere gegangen ist, weil der Schuldner diese Ansprüche zuvor wirksam an die Streithelferin abgetreten hatte.

Keine Abtretung der Ansparsumme, sehr wohl aber des Auszahlungsanspruchs

Bei einer zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 S. 1 BetrAVG unterliegt die Abtretung des mit dem Eintritt des Versorgungsfalles fälligen Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung nicht dem Verbot des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG. Die vom Schuldner erklärte Abtretung der Ansprüche an die Streithelferin war, soweit sie sich nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auf die Ansprüche auf Auszahlung der jeweiligen Ablaufleistung bezog, nicht wegen Verstoßes gegen dieses Verbot nichtig (§ 134 BGB).

Nach § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG, der seit seinem Inkrafttreten insoweit im Wesentlichen unverändert gilt, darf der ausgeschiedene Arbeitnehmer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen. In dieser Höhe darf der Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrags nicht in Anspruch genommen werden; vielmehr wird der Vertrag im Falle einer Kündigung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt (§ 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG).

Zweck: Schutz der Anwartschaft

Durch diese Bestimmungen soll im Rahmen des rechtlich Möglichen die bestehende Anwartschaft für den Versorgungszweck erhalten bleiben, das heißt verhindert werden, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet (BGH VersR 2016, 974 Rn 28; BGH VersR 2011, 371 Rn 6). Mit diesen Verfügungsbeschränkungen korrespondiert ein Pfändungsverbot, § 851 Abs. 1 ZPO (BGH VersR 2014, 487 Rn 2).

Bei Vollrecht und Auszahlung ist Schutzzweck entfallen

Allerdings gilt die Vorschrift des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG nicht mehr, wenn die Versorgungsanwartschaft zum Vollrecht erstarkt ist (BGH NJW-RR 2009, 211 Rn 9; Rolfs, in: Blomeyer/Otto/Rolfs, BetrAVG, 7. Aufl., § 2 Rn 279; Krois, EWiR 2011, 169, 170; ebenso zu § 97 EStG Dietzel, NZI 2018, 164; Fischer, in: Kirchhof, EstG, 19. Aufl., § 97 Rn 2). Die Norm enthält keine gesetzgeberische Entscheidung darüber, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalles tatsächlich in den Genuss der Alterssicherung kommen soll. Ist der Versorgungsfall eingetreten, richtet sich der Schutz des Schuldners nicht mehr nach § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG, sondern nach den allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften (BGH VersR 2019, 571 Rn 23 m.w.N.). Demgemäß ist der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung vor Eintritt des Versicherungsfalles als zukünftige Forderung pfändbar (BGH VersR 2015, 498 Rn 8; BGH VersR 2011, 371 Rn 8 ff.). Daraus folgt zugleich, dass § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG auch einer Vorausabtretung dieses Anspruchs durch den mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht entgegensteht (so neben dem Berufungsgericht auch OLG Saarbrücken VersR 2019, 1038, 1039 ff. [juris Rn 21 ff.]).

Anspruch auf Rückkaufswert ist etwas anderes

Soweit die Revision unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Koblenz (Urt. v. 12.10.2012 – 10 U 1151/11, juris Rn 34 ff.) hiergegen einwendet, dass ein derart eingeschränktes Verständnis des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG weder mit dessen Wortlaut noch mit dessen Zweck zu vereinbaren sei, trifft dies nicht zu.

Kündigung und Versicherungsfall sind zu unterscheiden

Das Recht auf den Rückkaufswert ist zwar nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme. Gleichwohl sind der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall und der Anspruch auf den Rückkaufswert nach Kündigung aber keine Teile eines einheitlichen Anspruchs, sondern zwei getrennte Ansprüche (Senatsurteil vom 28.4.2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 Rn 37; BGH, Beschl. v. 20.12.2018 – IX ZB 8/17, VersR 2019, 571 Rn 21). Vor diesem Hintergrund legt – anders als die Revision meint – bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG mit seiner Bezugnahme auf das Deckungskapital nahe, dass der Abtretungsausschluss nicht sämtliche vertraglichen Ansprüche betrifft, sondern in zeitlicher Hinsicht auf den Schutz der Anwartschaft abzielt. Eben dies war vom Gesetzgeber beabsichtigt (vgl. BT-Drucks 7/1281, S. 23 und 26) und gerade deshalb wurde § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG um die Beschränkung des § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG ergänzt (vgl. hierzu BGH VersR 2016, 974 Rn 28; BT-Drucks 7/2843, S. 7). Wortlaut, Systematik und Zweck verdeutlichen damit, dass ein allumfassender Schutz der Versorgung des Arbeitnehmers mit den Bestimmungen in § 2 Abs. 2 BetrAVG nicht verbunden ist, sondern dess...

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