Gehörsverletzung des Beschwerdegerichtes als Ausgangspunkt

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter des Beschwerdegerichts. Der im Streitfall gegebene Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einzelrichterin ohne die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (vgl. dazu BVerfG NJW 2018, 1077 Rn 16; BGH, Beschl. v. 19.8.2010 – VII ZB 2/09, NJW-RR 2011, 424 Rn 17).

Nimmt ein Beschwerdegericht fristgerechtes Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis, kann eine andere Entscheidung jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden, wenn ein Schriftsatz nicht allein auf den bisherigen Vortrag verweist, sondern sich argumentativ mit der Vorentscheidung oder einem gerichtlichen Hinweis auseinandersetzt und darauf angelegt ist, das Gericht von seinem Rechtsstandpunkt zu überzeugen (vgl. BGH NJW-RR 2011, 424 Rn 17; BGH NJW-RR 2020, 248 Rn 6).

BGH erteilt Hinweise

Für das danach fortzuführende Beschwerdeverfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:

Die GV durfte die Durchführung der gegen die Schuldnerin beantragten Vollstreckungsmaßnahme gemäß §§ 750, 885 ZPO nicht ohne Überprüfung der tatsächlichen Besitzverhältnisse bezüglich des zu räumenden Hauses ablehnen.

Auf die tatsächlichen Gewahrsamsverhältnisse kommt es an

Die Gläubiger müssen eine Rechtsnachfolgeklausel gemäß § 750 Abs. 2, § 727 ZPO nur dann erwirken, wenn die Rechtsnachfolger des Schuldners tatsächlichen (Mit-)Besitz an den Räumen haben. Dieser tatsächliche (Mit-)Besitz muss sich dabei im Hinblick auf das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren klar und eindeutig aus den Gesamtumständen ergeben (vgl. BGH NJW 2008, 1959 Rn 16 [Lebensgefährte, volljährige Tochter und deren Ehemann]; LG Saarbrücken DGVZ 2018, 183 Rn 12 [volljähriger Sohn]). Wenn im Streitfall allein die Schuldnerin tatsächlichen Besitz an der Wohnung hat, genügt es, wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in Bezug auf sie vorliegen.

§ 563a BGB ist nicht heranzuziehen

Die Erwirkung einer Rechtsnachfolgeklausel ist nicht bereits deshalb entbehrlich, weil der Rechtsgedanke des § 563a Abs. 1 BGB herangezogen werden könnte. Diese Bestimmung setzt sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Zweck, für überlebende Mitmieter einen vorrangigen Bestandsschutz zu schaffen, voraus, dass zum Zeitpunkt des Todes eines Mieters ein gemeinsames Mietverhältnis im Sinne des § 563 BGB bestanden hat (vgl. BeckOGK-BGB/Wendtland, Stand 1.1.2020, § 563a Rn 3 in Verbindung mit § 563 Rn 27; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 14. Aufl., § 563 BGB Rn 11). Daran fehlte es im Streitfall, in dem das Mietverhältnis bereits vor dem Tod des Schuldners durch außerordentliche Kündigung beendet worden ist.

Vormaliges Besitzrecht ist unerheblich

Nicht tragfähig ist danach die Annahme, im Streitfall sei für die Räumung eine Titelumschreibung auf die Erben des Schuldners deshalb zwingend geboten, weil der Schuldner nach dem Mietvertrag ein eigenständiges Besitzrecht an den Räumlichkeiten gehabt habe und seine persönlichen Gegenstände "offensichtlich" noch nicht aus der Wohnung entfernt worden seien. Auf ein – vormals gegebenes – eigenständiges Besitzrecht des Schuldners kommt es hier ebenso wenig an wie auf den Verbleib seiner persönlichen Gegenstände. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob neben der Schuldnerin die Erben des Schuldners tatsächliche Besitzer der Räumlichkeiten sind.

Haben die Erben des Schuldners wirklich Besitz?

Nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn – zumindest auch – die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (vgl. BGH NJW 2008, 3287 Rn 9). Bei einer Räumungsvollstreckung gemäß § 885 ZPO ist derjenige, der den tatsächlichen Besitz an den Räumen innehat, die Person, gegen die die Zwangsvollstreckung stattzufinden hat.

Nur dann bedarf es auch eines (umgeschrieben) Titels gegen den Erben

Nach § 885 Abs. 1 S. 1 ZPO hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner, der eine unbewegliche Sache herauszugeben hat, aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Dabei meint "Besitz" im Sinne des § 885 ZPO den Besitz in Form des "Gewahrsams". Dies verdeutlicht die Vorschrift des § 886 ZPO, die den Fall regelt, dass sich die herauszugebende Sache "im Gewahrsam eines Dritten" befindet. Dementsprechend muss gegen denjenigen, der an dem Räumungsobjekt Gewahrsam oder Mitgewahrsam hat, ein Vollstreckungstitel vorliegen (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 885 Rn 6; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 885 Rn 4; Lugani, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 11. Aufl., § 885 Rn 14).

Entscheidend ist die tatsächliche Gewalt

Der vollstreckungsrechtliche Gewahrsam gemäß § 886 ZPO ents...

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