Der steuerliche Grundfreibetrag steigt und steigt …

Das Bundeskabinett hat am 29.7.2020 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen beschlossen. Von der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates ist auszugehen. Es wirkt sich unmittelbar auf die Zwangsvollstreckung aus.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll der steuerliche Grundfreibetrag von 9.408 EUR im Jahr 2020 um 3,06 % auf 9.696 EUR im Jahr 2021 und dann um weitere 2,97 % auf 9.984 EUR im Jahr 2022 angehoben werden. Nach § 850c ZPO Abs. 2a ZPO in der aktuellen Fassung werden die Pfändungsfreigrenzen prozentual im gleichen Verhältnis angehoben wie der steuerliche Grundfreibetrag.

Auswirkungen auf Pfändungsfreigrenzen Jahr für Jahr

Sind die Pfändungsfreigrenzen bisher nur alle zwei Jahre zum 1.7. der ungeraden Jahre geändert worden, soll sich dies mit der Neufassung des § 850c ZPO-E nach Maßgabe des Entwurfes zu einem Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG) ändern (BT-Drucks 19/19850). Nach dessen Abs. 4 soll gelten:

 

Im Wortlaut: § 850c Abs. 4 S. 2 ZPO-E

Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

Nach der Übergangsbestimmung soll diese Regelung erstmals 2021 zur Anwendung kommen, was dem regulären Erhöhungstermin entspricht. 2022 wird dann das erste Mal die neue Regelung der jährlichen Erhöhung greifen.

Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung kommt

Die konkreten Pfändungsfreigrenzen werden weiterhin durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bekannt gemacht. Damit ist für den Erhöhungstermin im Juli 2021 im März oder April 2021 zu rechnen. Sie könnten wie folgt aussehen:

 
Norm Regelungsgehalt Bisher Anhebung 2021 Anhebung 2022
§ 850c Abs. 1 S. 1 Schuldner 1.178,59 EUR 1.214,65 EUR 1.250,73 EUR
§ 850c Abs. 1 S. 2 1. unterhaltsberechtigte Person 443,57 EUR 457,24 EUR 470,72 EUR
§ 850c Abs. 1 S. 2 2. bis 5. unterhaltsberechtigte Personen 247,12 EUR 254,68 EUR 262,26 EUR
§ 850c Abs. 2 S. 2 Höchster Freibetrag 3.613,08 EUR 3.723,64 EUR 3.834,23 EUR
 

Hinweis

Damit ist allerdings nicht schon der gesamte unpfändbare Betrag des Arbeitseinkommens des Schuldners nach § 850c ZPO beschrieben. Zunächst ist das Arbeitseinkommen nämlich nach § 850c Abs. 3 ZPO nach unten auf volle 10-Euro-Beträge abzurunden. Übersteigt das Nettoarbeitseinkommen (§ 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO) die vorgenannten pfändbaren Beträge, ist der überschießende Betrag dann aber nicht vollständig pfändbar, sondern bei dem Schuldner, der keiner Person unterhaltspflichtig ist, nur zu 70 %, bei einer unterhaltsberechtigten Person in Höhe von 50 % und bei zwei bis fünf unterhaltsberechtigten Personen um jeweils 10 % pro Person weniger. Vollständig pfändbar sind lediglich die Beträge, die ein Nettoeinkommen von 3.723,64 EUR (2021) bzw. 3.834,23 EUR (2022) statt bisher 3.613,08 EUR übersteigen.

Auswirkungen bei Arbeit, Rente und Konto

Die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO wirken sich einerseits bei der Pfändung von Arbeitseinkommen sowie Renten oder Versorgungsbezügen aus, andererseits über § 899 Abs. 1 ZPO-E, der an die Stelle von § 850k ZPO treten soll, aber auch bei der Kontopfändung, wenn sich das nach § 833a ZPO gepfändete Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto (P-Konto) befindet.

Schon jetzt berücksichtigen: sinkende Erträge

Insgesamt müssen sich die Gläubiger damit auf sinkende Erträge aus der Pfändung von Arbeitseinkommen einstellen, was sich auch auf den von der Pfändung ausgehenden Vollstreckungsdruck auswirkt. Nachdem die Pfändungsfreigrenze auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist, wird insbesondere auch der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase aufgrund der Abtretungserklärung einen geringeren Ertrag erzielen. Letztlich wird der Rechtsdienstleister schon bei der Entscheidung, ob er eine Forderung titulieren will, überlegen, ob ihm dies neben der Sicherung der (Haupt-)Forderung vor Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB) auch einen künftigen Vollstreckungserfolg verspricht. Anderenfalls wird "gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen".

 

Hinweis

Vor diesem Hintergrund muss die künftige Änderung auch schon jetzt in die Überlegungen einbezogen werden und es kann nicht abgewartet werden, bis die Änderungen in Kraft treten. Heute titulierte Forderungen werden unter den künftigen Rahmenbedingungen vollstreckt. Es ist für Rechtsanwälte und Inkassodienstleister auch wichtig, ihre Mandanten darauf hinzuweisen und zu überprüfen, ob erfolgsbasierte Vergütungsmodelle in der Zwangsvollstreckung und in der Langzeitüberwachung mit Titel noch richtig bepreist sind.

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