Pfändungsfreies Vermögen ist zu bestimmen

Nach § 35 Abs. 1 InsO fällt in die Insolvenzmasse das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er im Laufe des Verfahrens erlangt. Nicht in die Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nimmt ausdrücklich § 850i ZPO in Bezug. Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 geändert worden (BGBl I 2009, S. 1707). Danach hat der Gesetzgeber den Pfändungsschutz auf "sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind", erweitert.

 

Hinweis

Die Entscheidung des BGH vom 21.12.2004 (IXa ZB 228/03 = InVo 2005, 237) ist deswegen überholt. Dort hatte der BGH entschieden, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung außerhalb des von § 851b ZPO umfassten Bereichs grundsätzlich uneingeschränkt pfändbar sind, was auf den Nießbrauch zu übertragen wäre.

Was zu den sonstigen Einkünften gehört ist umstritten:

Einerseits wird vertreten, nach Sinn und Zweck des § 850i Abs. 1 Fall 2 ZPO unterfielen die Erträge aus Vermögen, Kapitalerträge und -tilgungsleistungen, Entgelte für Veräußerung privater Vermögensgegenstände, Entgelte für Überlassung einer Sache (Miete und Pacht), Zahlungen bei Vermögensauseinandersetzung und Steuererstattungen nicht dem Pfändungsschutz nach dieser Regelung (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn 1234; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850i Rn 1). Jedenfalls dürfe nach der Systematik des Gesetzes nur das Einkommen Erwerbstätiger von § 850i ZPO erfasst sein.
Andererseits wird angenommen, nach der Neufassung des § 850i Abs. 1 ZPO komme es nicht mehr darauf an, ob die Einkünfte auf persönlich geleisteten Arbeiten oder Diensten beruhten (Fall 1) oder auf dem Einsatz von Personal oder Kapital (Fall 2). Auch Einkünfte aus sogenannter kapitalistischer Tätigkeit rechneten hierzu, etwa aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, auch Werklohnansprüche und Verkaufserlöse (LG Bonn ZInsO 2012, 2056; Musielak/Becker, ZPO, 11. Aufl., § 850i Rn 3; Saenger/Kemper, Hk-ZPO, 5. Aufl., § 850i Rn 6 f; BeckOK-ZPO/Riedel, 2014, § 850i Rn 5 f, 11), solange die Einkünfte selbst erzielt, also eigenständig erwirtschaftet sind (Meller-Hannich, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 850i Rn 7; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 6. Aufl., § 850i Rn 19 f; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2359 f; Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530, 531).

Der BGH schließt sich der weiten zweiten Ansicht an

Schon der Wortlaut der Regelung spricht für eine weite Auslegung; denn danach sollen Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, auf Antrag des Schuldners dem Pfändungsschutz unterfallen können. Voraussetzung für den Pfändungsschutz für diese Einkünfte in § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO ist nicht mehr die Verknüpfung der Einkünfte mit der Arbeitskraft des Schuldners, wie es die erste Alternative voraussetzt. Um einen Pfändungsschutz zu erlangen, muss nicht die Arbeitskraft des Schuldners verwertet sein. Bezugsgröße ist nunmehr ein auf breite Basis gestellter Schutz des selbst erwirtschafteten Lebensunterhalts (Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 6. Aufl., § 850i Rn 19; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2360; Meller-Hannich, WM 2011, 529). Die neue Regelung gibt die frühere Differenzierung nach dem Grund der Forderung auf. Ob Arbeiten oder Dienste persönlich erbracht werden oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Pfändungsschutz erhalten nunmehr sämtliche Arten von Einkünften. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt eine Erwerbstätigkeit vorliegt und ob zur Entstehung einer Forderung verwertetes Kapital erarbeitet wurde, solange die Einkünfte nur selbst erzielt sind (Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530).

Systematisch wird der Unterhalt des SU gesichert

Eine solche Auslegung erscheint auch systemgerecht. In den §§ 850 ff. ZPO ist das Arbeitseinkommen vor Pfändung geschützt. Die Ansprüche auf die gesetzliche Rente sind nur hinsichtlich des die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen übersteigenden Betrages ab­tretbar und pfändbar (§ 53 Abs. 3, § 54 Abs. 4 SGB I). Entsprechendes gilt im Grundsatz für die Sozialleistungen. Vertragliche Altersrenten und steuerlich gefördertes Altersvermögen ist gemäß § 851c, § 851d ZPO, §§ 10a, 79 ff., 97 EStG in Verbindung mit § 851 Abs. 1 ZPO, § 168 Abs. 3 VVG geschützt. Die Vergütungsansprüche für selbstständige Tätigkeiten, seien sie selbst oder durch Personal erwirtschaftet, können auf Antrag des Schuldners für unpfändbar erklärt werden (BT-Drucks 16/7615 S. 11 f, 18).

Motivation des Schuldners zur Eigenfürsorge

Nichts anderes gilt aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch für alle sonstigen Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, aber dem Schuldner und seiner Familie zum Lebensunterhalt dienen. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich ausgeführt, dass sämtliche Einkünfte nicht abhängig beschäftigter Personen erfasst werden sollen. Alle Einkun...

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