Abgrenzung vertretbar/unvertretbar schwierig

Die Abgrenzung zwischen einer vertretbaren und einer unvertretbaren Handlung ist in der Praxis nicht immer einfach. Bei einer unvertretbaren Handlung ist die Mitwirkung des Schuldners aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unabdingbar.

 

Beispiel

Der Schuldner ist der einzige, der die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beurteilen kann. Deshalb muss er aus tatsächlichen Gründen das Arbeitszeugnis selbst schreiben. Wird ein Steuererstattungsanspruch gepfändet, muss die Steuererklärung nach der Abgabenordnung eigenhändig unterschrieben werden. Der Schuldner ist in diesem Fall also aus rechtlichen Gründen zur höchstpersönlichen Mitwirkung verpflichtet.

Zwangsgeld oder Zwangshaft

Vor diesem Hintergrund muss der Schuldner nach § 888 ZPO mit Zwangsgeld oder Zwangshaft dazu angehalten werden, seiner Verpflichtung nachzukommen. Sein Wille muss also gebeugt werden. Anders als bei der Vollstreckung der Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen nach § 890 ZPO bedarf es einer Androhung des Zwangsmittels nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht. Das beschleunigt die Vollstreckung.

Ersatzvornahme und Vorschusspflicht

Bei der vertretbaren Handlung ist dem Schuldner zunächst Gelegenheit zu geben, die Handlung selbst vorzunehmen, bevor der Gläubiger nach § 887 ZPO ermächtigt werden kann, die Handlung auf Kosten des Schuldners durch einen dazu geeigneten Dritten vornehmen zu lassen.

 

Tipp

Der Dritte wird die Handlung in der Regel nur entgeltlich vornehmen, so dass es sinnvoll ist, mit dem Ermächtigungsantrag zugleich die Verurteilung zur Leistung eines Vorschusses nach § 887 Abs. 2 ZPO zu betreiben. Leistet der Schuldner den Vorschuss nicht, kann der Gläubiger die Geldforderung im Wege der Zwangsvollstreckung beitreiben und muss sich zugleich überlegen, ob er bis zur Zahlung durch den Schuldner die Ersatzvornahme mit dem Risiko der eigenen Kostentragung vornehmen lassen will.

Haupt- und Hilfsantrag

Macht der Gläubiger bei der Abgrenzung einen Fehler, muss sein Antrag zurückgewiesen werden. Um dem aus dem Weg zu gehen, sollte der Gläubiger abschätzen, welche Vollstreckungsart nach seiner Ansicht zum Tragen kommt, und danach den Hauptantrag ausrichten. Mit dem Hauptantrag sollte er dann entweder um einen rechtlichen Hinweis nach § 139 ZPO bitten, wenn das Gericht dies anders sieht, oder aber unmittelbar einen Hilfsantrag stellen, wenn das Ergebnis der Abgrenzungsprüfung nicht eindeutig ausfällt.

 

Muster: Vertretbare Handlung

An das Amtsgericht/Landgericht/Oberlandesgericht in …

In der Zwangsvollstreckungssache

des … – Gläubiger und Antragsteller –

Verfahrensbevollmächtigte: RAe …

gegen

den … – Schuldner und Antragsgegner –

Verfahrensbevollmächtigte: RAe …

überreiche ich namens und in Vollmacht des Gläubigers die vollstreckbare Ausfertigung des … vom … , Az: … , nebst Zustellbescheinigung.

Namens und in Vollmacht des Gläubigers wird beantragt,

1. den Gläubiger zu ermächtigen, die dem Schuldner nach dem … obliegende vertretbare Handlung, nämlich … , auf Kosten des Schuldners im Wege der Ersatzvornahme durch den Gläubiger oder einen von ihm zu beauftragenden Dritten vornehmen zu lassen.

2. anzuordnen, dass der Schuldner die im Wege der Ersatzvornahme notwendigen Maßnahmen, nämlich … , zu dulden hat, insbesondere, dass der Gläubiger bzw. der von ihm beauftragte Dritte das Grundstück des Schuldners in der … -Straße in … betreten, sowie dass …

3. den Schuldner zu verurteilen, an den Kläger für die durch die nach Ziffer 1. vorzunehmende Ersatzvornahme einen Kostenvorschuss in Höhe von … EUR zu zahlen.

Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt:

Ausweislich des in der Anlage beigefügten Vollstreckungstitels des … vom … , Az: … , ist der Schuldner verpflichtet … Dieser Verpflichtung ist der Schuldner bisher nicht nachgekommen. Die ausdrückliche Aufforderung zur Erfüllung seiner Verpflichtung vom … unter Fristsetzung zum … hat der Schuldner unbeachtet gelassen.

Die vom Schuldner geschuldete Handlung stellt eine vertretbare Handlung im Sinne von § 887 ZPO dar, da die Handlung auch von dem Gläubiger bzw. einem von diesem zu beauftragenden Dritten ausgeführt werden kann, ohne dass sich aus Sicht des Gläubigers etwas am wirtschaftlichen Erfolg oder am Charakter der Handlung ändert. Der Schuldner kann insoweit bei der Erfüllungshandlung vertreten werden. Dies ergibt sich daraus, dass …

Sollte das Gericht hier anderer Auffassung sein, wird um einen rechtlichen Hinweis nach § 139 ZPO gebeten, damit der Antrag auf einen solchen nach § 888 ZPO umgestellt oder jedenfalls ein entsprechender Hilfsantrag gestellt werden kann.

  Zur Durchführung der Ersatzvornahme ist es notwendig, dass der Gläubiger oder der von ihm beauftragte Dritte das Grundstück des Schuldners in der … -Straße in … betritt, um die geschuldete Handlung tatsächlich vorzunehmen. Der Schuldner ist verpflichtet, dies zu dulden, was im Rahmen des Ermächtigungsbeschlusses anzuordnen ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1768; OLG Hamm NJW 1985, 274; Schuschke/Walker, 4. Aufl. 2008, § 887 ...

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